Geheimprojekt Styx
die dritte Etage. Doch der Lift fuhr zuerst hinunter in die Tiefgarage. Als die Türen sich öffneten, rauschten Hendricks, Boratto und Brauer hinaus und Boratto gestikulierte bereits einem Mann des Personals, ihm den Schlüssel für den schneeweißen BMW 7er zu reichen.
Boratto schwang sich hinter das Steuer des Wagens, Brauer nahm rechts neben ihm Platz und Hendricks machte es sich – wie für einen Direktor angemessen – auf der Rückbank bequem.
„Scheiße, dieses Navi geht ja mal gar nicht“, fluchte Boratto auf dem Fahrersitz. Er schlug einmal auf die Armaturen und fluchte auf Portugiesisch, in bestem Favela-Slang. Hendricks grinste bloß, verstand er doch, was Boratto da von sich gab. Lediglich Brauer saß mit einer Miene aus Stein da, tippte ein wenig auf dem Navigationsgerät herum und tippte kommentarlos auf den Bildschirm, wo die schnellste Route zum New Dragon angegeben war.
Boratto sah Brauer an, sein Blick gespielt kurz vor einem Wutanfall, dann trat der Brasilianer das Gaspedal durch, die Reifen quietschten, und sie schossen die Auffahrt hinauf, krachten beinahe in einen Begrenzungspoller, als Boratto die Geschwindigkeit und Beschleunigungsfähigkeit des BMW etwas falsch einschätzte, doch dann befanden sie sich im dichten Verkehr Hongkongs.
„Etwa fünfzehn Minuten bis zum New Dragon“, verkündete Boratto und legte die linke Hand lässig auf die Mittelarmstütze. „Ruht euch aus, es könnte dort heiß hergehen.“
Während der kurzen Fahrt spähte Hendricks immer wieder durch die getönte Heckscheibe, ob sie vielleicht verfolgt wurden und Brauer prüfte unterdessen die Getränkepreise. Das konstante Schweigen des Deutschen bedeutete, dass sie sehr hoch sein mussten.
Boratto bog in die Auffahrt zum New Dragon ein und beinahe wären sie von einem Bentley-Cabrio gerammt worden. Der Fahrer pöbelte wüst auf Englisch, was jedoch niemand hörte, waren die Türen des BMW doch genauso wie die Fenster geschlossen.
Sie hielten vor dem Eingang des großen kastenförmigen Gebäudes mit einer Menge Glasflächen, Neonleuchten und einem goldenen Drachenkopf über dem Eingang. Ein Name stand nicht am Gebäude, scheinbar musste man das New Dragon schon vom Namen her kennen, um zu wissen, wo man hin musste.
Boratto stieg aus, der Motor lief und er reichte den Schlüssel einem Bediensteten. Vier Männer, alle Asiaten, allerdings weder von der Größe noch von der Muskelmasse her wie der Durchschnitt, bedeuteten den drei Männern, anzuhalten.
„Sie stehen nicht auf der Gästeliste“, sagte der größte der Männer, dessen kahler Schädel das grelle Neonlicht widerspiegelte. „Entweder Sie zahlen eine einmalige Gebühr oder Sie verschwinden wieder.“ Er ballte demonstrativ eine Hand zur Faust und ging in eine universelle Grundhaltung, wie sie bei Dutzenden Kampfsportarten zum Einsatz kam. Hendricks berechnete bereits im Kopf, wie schnell es möglich war, den Mann kampfunfähig zu schlagen.
Er ist zu groß, zu schwer, zu langsam, dachte er, das sollte machbar sein.
„Wie viel?“, fragte er stattdessen.
„Fünftausend Dollar – für jeden.“
Hendricks nickte, fischte ein Bündel Tausend-Dollar-Scheine aus seinem Jackett und zählte die fünfzehntausend Dollar ab. Er drückte sie dem Mann in die Hand und sah ihm direkt in die braunen Augen. „Einen schönen Abend noch“, knurrte der Türsteher und ließ Boratto, Brauer und Hendricks vorbei. Eine Kontrolle auf Waffen oder den Inhalt des Koffers schien es nicht zu geben.
Sie gingen eine langgezogene Treppe mit hellblauen Lichtern zu beiden Seiten hinunter und schon bald schlugen ihnen laute Bässe und die neuesten Club-Hits von überall auf der Welt entgegen. Boratto verzog das Gesicht. „Was für ein Lärm!“, rief er Hendricks direkt ins Ohr, damit dieser ihn verstehen konnte.
„Du weißt nicht, was gut ist, Art!“, erwiderte der bloß. Sie blieben im Eingangsbereich stehen und verschafften sich einen Überblick. Sie fielen nur bedingt auf, da alle drei Männer keine Riesen waren – ein Walter Mangope wäre aufgefallen wie ein Wolf in der Schafsherde – lediglich Brauer mit seinen blonden Haaren, dem dichten Ziegenbart und graublauen Augen fiel etwas mehr auf.
„Jede Menge Silikon“, kommentierte Brauer, nachdem er die knapp bekleideten Tänzerinnen an den Stangen und einige der weibliche Gäste in Augenschein genommen hatte. „Willkommen im 21. Jahrhundert.“
„Die westlichen Schönheitsideale halten eben auch in Asien
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