Geheimprojekt Styx
Das lasse ich mir etwas kosten.“ Hendricks spähte noch einmal kurz aus dem Fenster, ehe er fortfuhr. „Die Firma erwirtschaftet pro Jahr, Steuern und sämtliche Kosten für Material und Personal abgezogen, knapp zweihundert Millionen Dollar. Aber nun zum Geschäft. Betrachte diesen Auftrag als deinen Einstand. Mir fehlt leider die Zeit, hier jetzt einen großartigen Small-Talk zu machen, wir werden das aber nachholen.“ Hendricks ließ die Arme sinken. Er war auf dem Sprung, musste gleich wieder los, um weiter nach Genf zu fliegen. „Meine E-Mail-Adresse hast du. Ich brauche in fünf Stunden sämtliche Daten auf meinem Tablet, je früher, desto besser.“
„Auch die der Familie?“
„Alles. Von jedem. Jedes Detail, das ich verwenden kann.“
Crow legte die Stirn in Falten. „Was planst du da eigentlich, Mike?“
„Willst du das wirklich wissen?“, erwiderte Hendricks mit einem leichten Grinsen.
„Ich werde mir meinen Teil denken.“
„Gut. Arbeitsvertrag und so weiter bekommst du per Fax, ab morgen wohnst und arbeitest du dann in der City.“
Mit diesen Worten setzte Hendricks sich wieder in Bewegung, verließ die Wohnung und eilte das Treppenhaus hinunter. Er rauschte aus der Tür hinaus und hielt direkt auf den Range Rover zu, vor dem sich bereits eine kleine Gruppe Jugendlicher versammelt hatte. Hendricks verscheuchte sie, indem er kurz sein Jackett zur Seite schob und den Griff seiner Pistole entblößte sowie bedrohlich dreinschaute. Die Jugendlichen sputeten sich, zu verschwinden und er schwang sich hinter das Steuer des gepanzerten Wagens.
Es war das erste Mal in Hendricks' Leben, dass er einen Aktenkoffer mit sich führte. Und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Der Koffer enthielt einen Tablet-Computer sowie rund dreihundert Seiten Ausdrucke, ferner jeweils ein kurzes Dossier über Arnold Rupo, dessen Frau und seinen Sohn. Außerdem, ein kleiner Tribut an Hendricks' Vergangenheit als operative Kraft, eine Pistole samt Ersatzmagazin. Dass der Aktenkoffer kugelsicher war, verstand sich dabei von selbst.
Nun stand Hendricks, der Aktenkoffer lag halb geöffnet auf dem Couchtisch, mit einem Glas Scotch aus dem Jahre 1965 in der Hand, in einem dunklen Wohnzimmer mit Blick auf das abendliche Genf.
Er war nicht nervös, lediglich angespannt. Gleich würde er Arnold Rupo begegnen, dem Mann, der verantwortlich war für die Wochen der Hatz rund um den Globus, für den Tod von Unschuldigen. Über das gesamte Grundstück waren Personenschützer verteilt, ein kleines Team in vollständiger Kampfausrüstung hielt sich in einem dezenten Lieferwagen etwa zwei Kilometer entfernt in einer ruhigen Seitenstraße bereit, außerdem waren im gesamten Haus zehn weitere Mitglieder der Europa-Abteilung stationiert. Hendricks hatte sich noch in der Arktis eine Liste der Männer und Frauen geben lassen, die Brauers Meinung nach zuverlässig und erfahren waren. Diese Leute waren mit Hendricks auf drei Gulfstreams verteilt nach Genf geflogen und schirmten ihren Chef nun ab, wobei die Sicherheitsmaßnahmen durchaus mit denen eines Präsidenten konkurrieren konnten.
„Sir?“, fragte einer der Männer, in einen schwarzen Anzug gekleidet, dazu in einen ebenfalls schwarzen Mantel. Er trat an Hendricks heran, das kurze Sturmgewehr an einem Tragegurt vor der Brust. „Rupo wird in etwa zwei Minuten hier sein.“
„Lassen Sie den Eingangsbereich räumen, er soll nicht merken, dass wir hier sind.“
„Sehr wohl, Sir.“ Der Mann, dessen Namen Hendricks sich gar nicht erst gemerkt hatte, leitete die Befehle weiter und Hendricks nahm einen kleinen Schluck aus dem Scotchglas.
Er stand hier, in Rupos Villa in der Schweiz, trank dessen Scotch und schaute aus dessen Fenster hinaus auf Genf. Er war ins Allerheiligste des Mannes eingedrungen. Hatte ihn und seine Familie komplett durchleuchtet, wusste alles über sie. Jedes Detail. Jede Schulnote, jede E-Mail, jede Überweisung, wann sie wo und was gegessen hatten, sofern es per Kreditkarte bezahlt worden war.
„Rupo hat vier Personenschützer bei sich“, informierte man Hendricks. Der nickte bloß.
„Dezent ausschalten, aber nicht töten, es sei denn, sie leisten erheblichen Widerstand. Auf jeden Fall zumindest leise.“
„Verstanden.“
Hendricks blickte auf seine Taucheruhr, die er trotz der Dunkelheit immer noch ablesen konnte, Trinitium in den Ziffern machte es möglich. Er hatte die perfekte Falle aufgestellt. Jeder war genau dort, wo er sein
Weitere Kostenlose Bücher