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Gehen (German Edition)

Gehen (German Edition)

Titel: Gehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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um mich mit Rustenschacher in die Debatte, in die sich Karrer eingelassen hat, einzulassen und wenn ich aus der Debatte im rustenschacherschen Laden nicht, so wie Karrer, nicht die Konsequenzen gezogen hätte und jetzt in Steinhof wäre. Aber tatsächlich ist es unmöglich, daß ich wie Karrer gehandelt hätte, sagt Oehler, weil ich nicht Karrer bin, ich hätte wie ich gehandelt, genauso, wie Sie wie Sie gehandelt hätten und nicht wie Karrer, und selbst wäre ich in den rustenschacherschen Laden hineingegangen wie Karrer, um die Debatte mit Rustenschacher und seinem Neffen anzufangen, ich hätte die Debatte auf ganz andere Weise geführt und es hätte sich naturgemäß alles ganz anders abgespielt, als es sich zwischen Karrer und Rustenschacher und dem rustenschacherschen Neffen abgespielt hat, die Debatte wäre eine andere Debatte gewesen, überhaupt wäre es nicht zu einer solchen Debatte gekommen, denn an Stelle von Karrerhätte ich diese Debatte ganz anders geführt und hätte sie wahrscheinlich überhaupt nicht geführt, sagt Oehler. Oft führt das Zusammentreffen mehrerer tödlicher Umstände, die für sich genommen, überhaupt keine tödlichen Umstände sind, erst, wenn sie zusammenfallen, zu tödlichen Umständen werden, zu einem solchen Unglück wie dem Karrerschen Unglück im rustenschacherschen Laden, sagt Oehler. Dann stehen wir da, weil wir Zeuge waren und reagieren wie Vordenkopfgestoßene. Undenkbar, daß ich überhaupt, wenn ich Karrer gewesen wäre, an dem Nachmittag in den rustenschacherschen Laden hineingegangen wäre, sagt Oehler, aber die Intensität Karrers ist an diesem Nachmittag eine größere Intensität gewesen und ich bin Karrer in den rustenschacherschen Laden gefolgt. Aber zu fragen, warum ich an dem Nachmittag Karrer in den rustenschacherschen Laden gefolgt bin, ist unsinnig. Dann sagen wir, es handle sich um eine Tragödie , sagen wir, sagt Oehler. Wir beurteilen einen unvorhergesehenen Vorfall, wie den Vorfall im rustenschacherschen Laden als unabänderlich und als vorausberechnet, wo die Begriffe unabänderlich und vorausberechnet überhaupt keine Berechtigung haben. Denn nichts ist unabänderlich und nichts ist vorausberechnet, aber vieles und oft das Schauerlichste tritt ganz einfach ein. Jetzt kann ich sagen, mich erstaunt meine Passivität im rustenschacherschen Laden, meine unglaubliche Schweigsamkeit, daß ich danebengestanden bin und im Grunde auf nichts reagiert habe, daß ich zwar etwas befürchtet habe, ohne zu wissen (oder zu ahnen), was befürchtet, daß ich aber nichts im Hinblick auf eine solche Befürchtung und also im Hinblick auf Karrers Zustand getan habe. Wir sagen, die Umstände führen einen Menschen in einen Zustand. Wenn das wahr ist, so haben die Umstände Karrer in den Zustand geführt, in welchem er plötzlich im rustenschacherschen Laden verrückt geworden ist, endgültig verrückt. Daß es sich um einen Fall der Angst vor dem Abbrechen einer unsinnigen Geduld handelt, sagtOehler, muß ich sagen. Wir beobachten einen Menschen in einer verzweifelten Lage, die wir als verzweifelte Lage erkennen und es ist uns auch der Begriff der verzweifelten Lage klar, aber wir tun nichts gegen die verzweifelte Lage dieses Menschen, weil wir gegen die verzweifelte Lage dieses Menschen nichts tun können, weil wir im wahrsten Sinne des Wortes gegenüber der verzweifelten Lage eines solchen Menschen ohnmächtig sind, obwohl wir einem solchen Menschen und seiner verzweifelten Lage gegenüber durchaus nicht ohnmächtig sein müssen, was wir zugeben, sagt Oehler. Plötzlich kommt uns die Ausweglosigkeit einer verzweifelten Natur zu Bewußtsein, aber in diesem Augenblick ist es schon zu spät. Die Schuld liegt nicht bei Rustenschacher und seinem Neffen, sagt Oehler, diese beiden verhielten sich so, wie sie sich verhalten mußten, offensichtlich um nicht Opfer Karrers zu sein. Die Umstände sind aber niemals in kürzester Zeit entstanden, sagt Oehler, immer und in jedem Fall sind es Umstände in der Folge eines Prozesses, der lange gedauert hat. Nicht an diesem Tag und nicht an diesem Nachmittag und nicht erst vierundzwanzig Stunden oder achtundvierzig Stunden vorher sind diese Umstände, die zu Karrers Verrücktheit im rustenschacherschen Laden und also zu der Auseinandersetzung Karrers mit Rustenschacher und seinem Neffen geführt haben, entstanden. Wir suchen immer alles in unmittelbarer Nähe, das ist ein Irrtum. Wenn wir nicht immer alles in unmittelbarer Nähe suchten, sagt

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