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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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ein wenig miteinander unterhalten konnten, die Arbeit aber trotzdem weiterging. Würden alle vier gleichzeitig Pause machen und dabei miteinander über ihre Befürchtungen reden, wäre die Moral beim Teufel.
    »Pause, Penn«, rief Barnes.
    »Sekunde, ich räume nur noch das hier weg.«

    Mit seinen vierunddreißig Jahren war Barnes der älteste seiner Mannschaft – und der Kleinste. Gerade 1,70 Meter groß, hatte er einen zwar schlanken, aber durchtrainierten drahtigen Körper und war den anderen drei schon allein durch seine pure Willenskraft und Ausdauer überlegen. Barnes hatte ein schmales, glattrasiertes Gesicht, über vorspringenden Wangenknochen beobachtete ein Paar lebendiger, wachsamer brauner Augen Reynolds und Davis bei der Arbeit. Beide waren sie hochgewachsene, kräftige Burschen, jedoch von völlig unterschiedlichem Temperament. Davis, der ehemalige Hauer, war sehr stimmungsabhängig, manchmal sogar regelrecht melancholisch, Reynolds dagegen belastbar bis zum Umfallen. Er verbarg seine Gefühle, zeigte sich niemals enthusiastisch oder traurig. Blieb noch der dreißigjährige Corporal Penn. Er war der intelligenteste und gebildetste der vier Männer. Zu Kriegsbeginn hätte er die Offizierslaufbahn einschlagen können, doch aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen hatte er dies abgelehnt. Er war groß und schlank, ein Witzbold und Bruder Leichtfuß, gleichzeitig aber auch der sensibelste der ganzen Crew.
    Jetzt ließ er die Schaufel fallen und ging mit übertrieben weichen Knien zu Barnes hinüber.
    »Dafür müßte es wirklich eine Zulage geben, Sir. Mich durch den Untergrund zu wühlen gehört mit Sicherheit nicht zu meinen soldatischen Pflichten. Bestimmt steht dies auch nicht im Handbuch für die Soldaten seiner Königlichen Majestät.
    Machen wir einen Spaziergang über die Promenade?«
    Dieser Ausdruck war Penns Umschreibung für einen Gang durch den Tunnel. Barnes sprang vom Chassis, auf dem er gesessen hatte, griff nach der Taschenlampe und ging mit Penn los. Erst als sie außer Hörweite der beiden anderen waren, begann Penn zu sprechen.

    »Davis’ Gesichtsausdruck gefällt mir nicht. Ich glaube, er hält nicht mehr lange durch.«
    »Er muß einfach. Schließlich geht’s uns anderen auch nicht besser. Außerdem können wir jeden Augenblick durch sein.«
    »Glauben Sie das wirklich? Der Erdwall kann über zehn Meter tief sein. Ich vermute, die Deutschen haben die Tunneleinfahrt gesprengt.«
    »Sieht ganz so aus. Oder sie haben die Bahnlinie bombardiert und dabei einen Erdrutsch ausgelöst. Für uns macht das keinen Unterschied. Wir müssen nur tief genug vorstoßen, um unseren Zweipfünder einsetzen zu können.«
    »Die Panzerkanone?« Penn blieb wie angewurzelt auf dem Gleis stehen. »Das ist doch wohl ein Scherz, oder?«
    »Hören Sie zu, Penn. Wir werden verdammt müde sein, wenn wir wieder Tageslicht zu sehen bekommen. Außerdem sind wir jetzt schon seit über vierundzwanzig Stunden von unserer Einheit abgeschnitten. Gott allein mag wissen, wie es inzwischen draußen aussieht, aber es ist unsere Pflicht, schnellstens zu unserem Haufen zurückzukehren, selbst um den Preis, daß wir uns aus diesem verdammten Tunnel herausschießen müssen – wenn das überhaupt möglich ist.
    Sobald der Durchbruch genügend groß ist, krieche ich hinaus und schaue mich draußen ein wenig um. Dann kann Davis sich zur Abwechslung mal mit was anderem als mit sich selbst beschäftigen und den Rest der Verschüttung aus dem Weg schießen.«
    »Vorausgesetzt, daß Davis noch so lange durchhält.
    Außerdem ist es fraglich, ob wir uns überhaupt so weit durchbuddeln können.«
    »Jetzt reden Sie schon wie Davis. Keinem von euch scheint bis jetzt bewußt geworden zu sein, daß wir bei unserem unfreiwilligen Aufenthalt hier im Tunnel immer noch sicherer sind als draußen bei einem Tieffliegerangriff.«

    Verblüfft schaute Penn zu Barnes hinüber. Der Sergeant meinte tatsächlich, was er sagte, dessen war sich der Corporal sicher. Er schien die Möglichkeit, daß sie noch in dieser Mausefalle sitzen konnten, wenn ihnen Wasser und Proviant längst ausgegangen waren und die Batterien keinen Strom mehr gaben, schlichtweg nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Der Sergeant setzte einfach voraus, daß sie es schafften. Für ihn war es nur eine Frage der Zeit, bis sie das Hindernis durchstießen. Also schön, wenn der Glaube Berge versetzen konnte, dann würde Barnes wahrscheinlich auch diesen Erdrutsch beiseite schieben

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