Gehetzt
nur auf sporadischen Widerstand – ein paar überhastet abgefeuerte Granaten, gelegentlich das Rattern eines Maschinengewehrs, hin und wieder die dumpfen Abschüsse einiger Mörser. Der General jagte seine Division ohne Rast die Hauptverbindungsstraße entlang; sie donnerte in einer Staubwolke durch Frankreich, von dessen Himmel die Frühsommersonne auf den eisernen Lindwurm herabstrahlte.
Abseits der Straßen richteten sich die Frauen von ihrer Feldarbeit auf, um die Staubwolke zu betrachten, die wie ein Rauchschleier am tiefblauen Himmel emporquoll. Es war ein herrlicher Morgen, vom wolkenlosen Himmel sandte die Sonne wärmende Strahlen, die schon die Hitze des Sommers ahnen ließen und nicht zu dem blutigen Kriegsgeschehen zu passen schienen. Einige der Frauen glaubten, die Staubwolke markiere den Vormarsch der eigenen Truppen, obwohl sie offensichtlich in die falsche Richtung wanderten. Andere wunderten sich nur stumm, fühlten Trauer und Furcht im Herzen, wollten die Tatsache nicht akzeptieren, daß den deutschen Truppen der Durchbruch gelungen war. Denn es war eine Tatsache – die Deutschen waren genau an der Nahtstelle zwischen der 9. und der 2. Armee durchgebrochen, dem schwächsten Punkt der gesamten alliierten Front. Es hatte kaum schwerere Gefechte gegeben, nachdem Tiefflieger den Widerstand auf dem westlichen Maas-Ufer zusammengebombt hatten.
Der General war noch jung und verfügte über enorme Energiereserven und einen grenzenlosen Optimismus, daher vertraute er noch fest auf seinen sechsten Sinn. Und der befahl ihm, im Eiltempo weiter vorzurücken und sich von nichts aufhalten zu lassen. Oberst Hans Meyer war da ganz anderer Ansicht.
Als der General seinen Panzer auf dem Marktplatz eines kleinen französischen Dorfes kurz anhalten ließ, kam es zu einem häßlichen Zwischenfall. Hinter dem Kommandopanzer waren noch vier stählerne Kolosse auf den Platz gerollt und stoppten. Die schweren Kanonen strichen langsam über die oberen Fenster der alten Häuser und drohten jede Gegenwehr im Keim zu ersticken. Meyer kletterte aus seinem Gefährt und ging zu dem Panzer an der Spitze, in dessen Turm hochaufgerichtet der General stand und ihm mit ausdrucksloser Miene die Karte entgegenhielt.
»Meyer, der Spähtrupp hat diese Straße genommen.«
Der General deutete mit seiner Hand in eine Richtung. »Aber ist es auch die richtige? Was meinen Sie?«
Meyer warf rasch einen Blick auf die Karte, verglich sie mit seiner eigenen und gab sie schließlich dem General zurück.
»Ich bin sicher, es ist die richtige, Herr General.«
»Trotzdem sollten wir uns bei den Einheimischen vergewissern. Sie sprechen doch Französisch. Fragen Sie den Mann dort drüben.«
Der General streifte den Handschuh ab, nestelte an seiner Pistolentasche herum, zog die Waffe hervor und richtete sie auf einen Mann mit grauem Schnurrbart.
Es war eine seltsame Szene: Die Sonne schien heiß auf die Dorfbewohner herab, die, starr vor Furcht, wie Wachsfiguren auf dem Platz oder in den Eingängen ihrer Häuser standen.
Noch vor wenigen Minuten waren sie, zwar mit einem seltsamen Gefühl im Magen, doch ohne Furcht ihrer täglichen Beschäftigung nachgegangen. Und dann war es geschehen –
ein kleiner Junge war auf den Marktplatz gestürmt und rief etwas von einer riesigen Staubwolke. Er hatte kaum seine Geschichte erzählt, als Motorräder mit quietschenden Reifen über den Platz donnerten und auf der Straße nach Westen verschwanden.
Der ungewohnte Lärm und die Aufregung lockte die Leute aus den Häusern. Sie waren völlig verwirrt. Eine Frau wollte in den Seitenwagen der Motorräder deutsche Soldaten gesehen haben, behelmte Gestalten mit Maschinenpistolen. Streit brach los, die Leute wollten es nicht glauben. Die Frau mußte verrückt geworden sein, hatte sicherlich Halluzinationen. Und während die Dörfler noch aufgeregt miteinander debattierten, war der General mit seinen fünf Panzern auf den Marktplatz gerollt.
Das ganze Dorf hielt vor Schreck den Atem an, als er jetzt die Pistole zog und auf den Mann anlegte.
Der Mann trat instinktiv einen Schritt vor und stellte sich schützend vor eine Frau, wahrscheinlich seine Frau. Entsetzen machte sich auf dem sonnenbeschienenen Platz breit.
Auch Meyer stand wie erstarrt da. Schließlich sagte er hastig:
»Das wird nicht notwendig sein, Herr General.«
»Fragen Sie ihn, Meyer.«
Immer noch zielte die Pistolenmündung auf die Brust des Mannes. Wütend ging Meyer zu dem Mann hinüber,
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