Gehetzt
können. Ihr Panzerkommandant war ein Mann, der seine Zuversichtlichkeit durch sorgfältige Planung und weise Voraussicht
untermauerte, der möglichst wenig dem Zufall überließ. So aßen sie beispielsweise auch jetzt noch Corned Beef und Zwieback, weil Barnes immer darauf bestanden hatte, daß seine Leute Proviant für mindestens eine Woche mitführten.
Penn machte kehrt und folgte Barnes zu dem Erdrutsch. Er spürte sofort, daß Ärger in der Luft lag.
Davis hatte sie offensichtlich schon erwartet. Der untersetzte Kanonier musterte den Sergeant wütend. Seine Stimme klang aufsässig:
»Wir schaffen den Durchbruch durch diese beschissene Wand nie.«
»Sicher nicht, wenn Sie hier nur herumstehen«, entgegnete Barnes seelenruhig. »Also machen Sie weiter.«
»Wir vergeuden doch nur unsere Zeit damit…«
»Wir nicht, Davis. Sie sind es, der Zeit vergeudet. Also, machen Sie endlich weiter.«
Barnes’ Stimme klang immer noch sanft. Er stand völlig entspannt unmittelbar vor dem bulligen Kanonier und blickte ihm ungerührt in die Augen.
»Wir werden hier drinnen sterben. Haben Sie gehört, Sergeant, ich sagte: sterben. Und dann schaufeln sie eines Tages diesen verdammten Tunnel frei und finden unsere Überreste – vier Skelette.«
Davis’ Tonfall wurde hysterisch, seine Lippen und Hände zitterten wie bei einem Fieberanfall. Der Kanonier stand kurz vor dem Zusammenbruch.
»Ich bin Bergmann – ich weiß, was ich sage. Ich…«
»Davis!« Barnes Stimme wurde hart. »Sie werden sich doch hoffentlich nicht eingeredet haben, daß dies hier ein Bergwerkstollen ist, oder?«
»Nein, aber…«
»Wir befinden uns hier nicht Hunderte von Metern unter der Erde, sondern wir sind auf gleicher Höhe mit der Oberfläche, stimmt’s? Daß Sie früher Bergmann gewesen sind, ist jetzt ebenso unwichtig wie der frühere Beruf von Penn als technischer Zeichner. Also, was ist? Soll Reynolds diesen Brocken da alleine beiseite räumen, oder werden Sie ihm endlich dabei helfen?«
»Es kann noch zwei Wochen dauern, bis wir uns da durchgearbeitet haben«, beharrte Davis stur. »Da können Hunderte von Tonnen Gestein…«
»Davis, allmählich verliere ich die Geduld. Es ist gut möglich, daß wir mit vereinten Kräften durchstoßen werden. Und dazu haben Sie gefälligst Ihren Teil beizutragen. Ich befehle Ihnen jetzt zum drittenmal weiterzumachen.«
»Warum versuchen wir es nicht am anderen Ende? Vielleicht ist der Erdwall dort nicht so tief.«
Barnes’ Gesichtszüge verhärteten sich. Bei jedem seiner Worte tippte er Davis mit ausgestrecktem Zeigefinger gegen die Brust.
»Sie haben dreimal einen Befehl erhalten und sich jedesmal geweigert, ihn auszuführen. Sobald wir wieder bei der Truppe sind, stehen Sie unter Arrest. Bis dahin werden Sie ebenso wie wir Ihre Pflicht tun. Da Sie inzwischen fünf Minuten mit unnützem Lamentieren vergeudet haben, ist Ihre nächste Pause nur noch zehn Minuten lang. Und jetzt helfen Sie gefälligst Reynolds, diesen Brocken da aus dem Weg zu räumen.«
Barnes drehte sich um und hockte sich wieder auf das Panzerchassis. Er warf einen Blick auf seine Uhr, um seine Pausenzeit nicht zu überziehen, und verfolgte mit zusammengekniffenen Augen, wie Davis wieder an seine Arbeit ging.
Penn stand grinsend neben ihm.
»Er glaubt wohl, jetzt, wo wir unter uns sind, könnte er den Bolschewiken herauskehren«, flüsterte er.
Doch Barnes gab keine Antwort, sondern blickte grimmig vor sich hin. Das hätte ins Auge gehen können. Es bedurfte nur eines faulen Apfels im Korb, um auch die anderen anzustecken, und die ansteckendste Krankheit ist Furcht.
Äußerlich blieb Barnes völlig gelassen, mit jedem Wort und jeder Geste machte er eindeutig klar, daß es nur einiger Geduld und Anstrengung bedurfte, bis sie wieder frei waren. Doch sich selbst gegenüber beurteilte er ihre Lage durchaus realistisch.
Sie waren genau in der Mitte des Schlachtfeldes gefangen, und der Kampf konnte wochenlang hin- und herwogen, wie es vor einem Vierteljahrhundert schon einmal geschehen war. In solchen Zeiten waren Leute knapp, um verschüttete Tunnels freizuschaufeln, selbst wenn sie kriegswichtig waren. Der Sauerstoff war kein Problem – der Tunnel war lang genug und enthielt Luft für Wochen, doch ihre Wasser- und Nahrungsvorräte reichten nur noch wenige Tage, von Berts Batterien ganz zu schweigen. Wenn die ausfielen, saßen sie im Dunkeln, und dann war ein Weitergraben fast unmöglich. In den ersten Stunden ihrer
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