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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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alliierten Linien schon so nahe war.
    Der englische Verbindungsoffizier, Lieutenant Miller, trat neben seinen Kameraden. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er die Uniform erkannte. Abgesehen von der Tatsache, daß der Mann da übers Wasser radelte, war das Auftauchen eines weiteren Gespenstes für ihn nichts Neues mehr, denn in der gegenwärtigen Kampflage tauchten immer mehr ausgemergelte versprengte Soldaten im Verteidigungsgürtel auf. Kanonenfutter, wie Miller sie insgeheim nannte.

    Der Radfahrer hatte sich ihnen bis auf hundert Meter genähert, als beinahe ein Unglück geschah. Durand und Miller wußten nichts von der Existenz der Straße, und Barnes kannte die Strecke nicht, weil er sie noch nie vorher gefahren war. Die Straße sackte plötzlich ab, und ehe er bemerkte, was los war, stand dem Sergeant das Wasser bis zur Brust. Er fiel vom Rad, schluckte Wasser und tauchte unter. Er hustete und spuckte, als er von den beiden Offizieren herausgezogen und auf trockenes Land gebracht wurde. Barnes wollte unbedingt etwas los werden, doch Miller beruhigte ihn.
    »Die Straße geht ganz durch… bis Lemont… Jerry-Panzer…«, brach es schließlich aus dem Sergeanten hervor.
    »Hab’ verstanden, mein Junge. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir bringen Sie jetzt erst mal ins Hospital.«
    Barnes verbrachte zwei Tage im Dünkirchener Lazarett. Er hatte versucht, den Ärzten einzureden, er sei nur erschöpft.
    Doch sie hörten nicht auf ihn, und so wartete er eine günstige Gelegenheit ab und schlich sich dann im Pyjama aus dem Hospital, das Bündel mit seinen Kleidern unterm Arm. Er brauchte eine halbe Stunde, um sich in der Ruine eines ausgebombten Hauses umzuziehen. Dann ging er bewußt aufrecht zum Strand, als sei er völlig in Ordnung – in seinem Zustand eine ungeheure Anstrengung.
    Die Evakuierung lief auf vollen Touren, und er befürchtete, man würde ihn nicht mitnehmen, wenn man merkte, daß er nicht gesund war.
    Die Fahrt blieb ihm nur lückenhaft im Gedächtnis, wie ein Film, den man zu schnell durch den Projektor jagt. Das endlose Warten am Strand, das dumpfe Aufspritzen des Sandes bei den Bombeneinschlägen, das überfüllte Boot, das unter dem Gewicht der Schulter an Schulter sitzenden Soldaten fast zu sinken drohte, die glatte Fläche des Kanals, als sie im Bombenhagel bei hellem Sonnenschein nach England übersetzten.
    In Dover dann das gleiche Durcheinander, als die Männer einfach in Züge verfrachtet und irgendwohin transportiert wurden.
    Barnes wartete stundenlang und suchte so angestrengt in dem Meer von Gesichtern, daß er manchmal selbst nicht mehr wußte, wonach er eigentlich suchte. Zweimal hatte er einen Militärpolizisten überreden können, ihn noch ein wenig warten zu lassen, und er war schon nahe daran aufzugeben. Plötzlich machte sein Herz einen Sprung. Drei Soldaten halfen einem vierten über den Bahnsteig zum wartenden Zug. Diese breiten Schultern, den Stiernacken des Humpelnden kannte Barnes nur zu gut. Reynolds! Er wollte es kaum glauben und lief hinter den vieren her.
    Als die Soldaten seine Streifen bemerkten, überließen sie bereitwillig den Fahrer seiner Obhut und stiegen müde in den Zug. Reynolds stützte sich schwer auf seine Krücke und produzierte ein schwaches Grinsen.
    »Die drei Typen da haben mich vor Lemont aufgelesen. Sie schoben mich auf einen der riesigen Lastwagen. Ich wurde erst wieder wach, als wir in die Sicherheitszone von Dünkirchen einfuhren.«
    Sie zwängten sich in den überfüllten Zug. In diesem Moment tauchte der Militärpolizist zum dritten Male auf und fragte nach ihrem Reiseziel.
    »Colchester«, antwortete Barnes.
    Colchester war die Basis ihrer Einheit. Nur noch ein Gedanke beherrschte den Sergeant: Er brauchte dringend einen neuen Tank.

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