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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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mich zu Tode erschreckt. Aber mir ist nichts passiert. Für einen Obdachlosen war er ganz schön kräftig.«
    Ein Sanitäter traf ein und drehte den Angreifer auf den Rücken. Pulaski hatte ihm Handschellen angelegt, die leise klirrten. Die Augen des Mannes zuckten wild umher, und seine Kleidung war zerrissen und verdreckt. Der stechende Geruch war unerträglich. Offenbar hatte der Fremde erst vor kurzem in seine Hose uriniert.
    »Was war los?«, fragte Haumann.
    »Ich habe den Tatort untersucht.« Pulaski wies auf den Treppenabsatz. »Diese Örtlichkeit kam als etwaiger Fluchtweg der Tatverdächtigen in Betracht, also...«
    Hör auf damit, ermahnte er sich.
    Er fing von vorn an. »Die Täter sind höchstwahrscheinlich hier entlanggelaufen, und ich wollte nach Fußspuren suchen. Dann habe ich etwas gehört und mich umgedreht, und da ging dieser Kerl auch schon auf mich los.« Er deutete auf ein Metallrohr, das der Obdachlose bei sich getragen hatte. »Ich konnte nicht mehr rechtzeitig meine Waffe ziehen, aber ich hab mit diesem Mülleimer nach
ihm geworfen. Wir haben ein oder zwei Minuten miteinander gerungen, und am Ende bekam ich ihn in den Würgegriff.«
    »So etwas wenden wir nicht an«, erinnerte Haumann ihn.
    »Ich wollte sagen, ich konnte mich erfolgreich verteidigen und ihm Handschellen anlegen.«
    Der Leiter des Sondereinsatzkommandos nickte. »Alles klar.«
    Pulaski hob das Headset auf, stöpselte es wieder ein und zuckte noch im selben Moment zusammen, weil eine Stimme ihm in die Ohren brüllte: »Um Himmels willen, sind Sie tot oder lebendig? Was ist da los?«
    »Es tut mir leid, Detective Rhyme.«
    Pulaski erklärte ihm, was geschehen war.
    »Sind Sie in Ordnung?«
    »Ja, es geht mir gut.«
    »Gut«, sagte der Kriminalist. »Und jetzt verraten Sie mir, warum, zum Teufel, Sie Ihre Waffe unter dem Overall hatten.«
    »Ein Versehen, Sir. Kommt nicht wieder vor, Sir.«
    »Oh, das will ich Ihnen auch geraten haben. Wie lautet die oberste Regel an einem heißen Tatort?«
    »Einem heißen...«
    »Einem heißen Tatort – wo der Täter noch in der Nähe sein könnte. Die Regel lautet: Lass dir keine Einzelheit entgehen, aber pass auf dich auf. Alles klar?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Der Fluchtweg ist also verunreinigt«, schimpfte Rhyme.
    »Na ja, es liegt dort lediglich etwas Abfall herum.«
    »Abfall«, wiederholte Rhyme aufgebracht. »Dann sollten Sie wohl lieber mit dem Aufräumen anfangen. Ich will alle Spuren in zwanzig Minuten hier auf meinem Tisch haben. Jede noch so kleine Kleinigkeit. Was meinen Sie, kriegen Sie das hin?«
    »Ja, Sir. Ich werde...«
    Rhyme unterbrach abrupt die Verbindung.
    Zwei ESU-Beamte streiften sich Latexhandschuhe über und führten den Obdachlosen ab. Pulaski bückte sich und fing an, den Müll aufzusammeln. Dabei versuchte er sich zu entsinnen, was an Rhymes Tonfall ihm so bekannt vorgekommen war. Schließlich fiel es ihm ein. Es war genau die gleiche Mischung aus Zorn und Erleichterung gewesen wie damals bei Rons Vater, nachdem dieser
seine Zwillingssöhne unweit des Hauses dabei erwischt hatte, wie sie sich zu Fuß auf den Schienen der Hochbahn ein Wettrennen lieferten.
     
    Wie ein Spion.
    Der pensionierte Detective Art Snyder stand an einer Straßenecke in Hell’s Kitchen und sah mit seinem Trenchcoat und dem alten Tirolerhut, an dem eine kleine Feder steckte, wie ein ausrangierter Geheimagent aus einem John-le-Carré-Roman aus.
    Amelia Sachs gesellte sich zu ihm.
    Snyder warf ihr nur einen kurzen Blick zu, sah sich kurz nach allen Seiten um und ging in Richtung Westen los, weg von dem geschäftigen Times Square.
    »Danke für den Anruf.«
    Snyder zuckte die Achseln.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
    »Ich treffe mich mit einem Kumpel von mir. Wir spielen hier in der Nähe oft Billard. Ich wollte das nicht am Telefon bereden.«
    Spione ...
    Ein hagerer Mann mit nach hinten gekämmtem gelbem Haar – nicht blond, sondern gelb – bettelte sie um etwas Kleingeld an. Snyder musterte ihn prüfend und gab ihm dann einen Dollar. Der Mann ging weiter und bedankte sich, aber nur murrend, als habe er einen Fünfer erwartet.
    Als sie einen etwas dunkleren Teil der Straße erreichten, spürte Sachs, wie zweimal etwas über ihren Oberschenkel strich, und fragte sich für einen Moment, ob der Pensionär etwa einen Annäherungsversuch unternahm. Dann sah sie nach unten und bemerkte das gefaltete Stück Papier, das er ihr unauffällig zustecken wollte.
    Sie nahm es und faltete es unter der

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