Gehirnfluesterer
Geruch.
Genauer gesagt nicht einen, sondern zwei Gerüche. Zwei Substanzen, die so abstoßend riechen, dass sie über alle individuellen
und kulturellen Unterschiede hinweg jeden Menschen in die Flucht schlagen. Der eine, treffend »US Government Standard Bathroom
Malodour« genannt, enthält die konzentrierten Stinkstoffe menschlicher Fäkalien; der andere, etwas rätselhafter »Who Me?«
genannt, ist eine grässliche Mixtur von Schwefelverbindungen, die den Gestank von verfaulenden Kadavern und verdorbenem Essen
simuliert. Ergebnisse, in die man die Nase besser nicht hineinsteckt.
Technische Fortschritte haben sich oft als Auslöser für neue Ideen erwiesen. Jeder, der nachts schon mal von der Alarmanlage
eines Autos auf der Straße aus dem Schlaf gerissen wurde (und niemand kommt, um das Ding abzustellen), jeder, der schon mal
durch die Klingeltöne vom Handy des Idioten gegenüber fast in den Wahnsinn getrieben wurde, wird sich fragen, ob es solche
Untersuchungen nicht auch für Geräusche gibt. Es gibt sie. Schnarchen, Keifen, Husten und Furzen gehören zu den führenden
Verdächtigen.
Manche wundern sich vielleicht über dieses Ergebnis, denn im Vergleich zu Rasenmähern, deren Schneidemesser auf Steine treffen,
oder Kreide, die über eine Wandtafel quietscht, wirken solche eher »organischen« Geräusche harmlos. Doch Trevor Cox vom Acoustics
Research Centre der University of Salford konnte zeigen, dass für die Irritation durch Geräusche nicht nur die Physik einer
Schallwelle verantwortlich ist. Stets ist auch Psychologie im Spiel.
»Das Wummern der Hi-Fi-Anlage eines Nachbarn stört weniger, wenn man vorhat, später selbst an der Party teilzunehmen«, sagt
er, und da hat er recht. Kurz gesagt, und das gilt für viele Stressfaktoren: Wie viel Stress sie
tatsächlich
verursachen, hängt davon ab, wie viel Kontrolle die Betroffenen über die jeweiligeSituation haben oder zu haben glauben. Nochmals Cox: »Wenn Sie die Kontrolle über den Lärm haben, stört er Sie weniger«, sagt
Cox. »Wenn Sie sich jedoch vor der Quelle fürchten, verschlimmert das in der Regel den Stress.«
Der britische Erfinder Howard Stapleton hat Cox’ Theorie kürzlich einem Test unterzogen. Im wahrsten Sinn des Wortes auf dem
Marktplatz. Seine Erfindung, die er »Mosquito« nannte, ist – ähnlich wie Daltons abstoßende Gerüche – dafür gedacht, unsozialem
Verhalten ein Ende zu setzen, indem man Gruppen oder Personen vertreibt. Das Gerät, als »elektromechanischer Teenager-Vertreiber«
bezeichnet, erzeugt einen irritierenden hohen Trillerton, dessen Frequenz aber für Menschen über dreißig nicht mehr zu hören
ist. Dieser Apparat ist derzeit auf den Straßen und in den Einkaufszentren Englands im Einsatz und offenbar mindestens ebenso
wirkungsvoll wie sein Vorgänger im Kampf gegen Rowdytum: die Musik von Wagner. Der Apparat macht etwas mehr Radau als Husten
oder Furzen, er steigt mit etwa 8,5 Dezibel ein, mit der Lautstärke eines Rasenmähers also, verursacht aber keine physischen Schäden. Sein Ton soll einfach nur
unangenehm sein. Jüngste Berichte zeigen, dass »Mosquito« seinen Zweck ziemlich gut erfüllt.
Babyweinen
Erwachsene Menschen hören, die Gesundheit ihres Gehörsinns vorausgesetzt, in einer Frequenzspanne, die von ungefähr 40 Hertz bis 15 Kilohertz reicht. Und es gibt in dieser Spanne eine Frequenz, auf der wir besonders gut hören: Sie liegt bei 3,5 Kilohertz. Ein evolutionsgeschichtlich betrachtet interessantes Phänomen. Eine Menge Töne liegen in diesem Frequenzbereich,
übrigens auch die Töne der Unterwasserortungsgeräte von U-Booten . Sie wurden für den Einsatz in Situationen entwickelt, in denen es auf hohe Wachsamkeit ankommt. Doch gibt es bei 3,5 Kilohertz auch Töne, die älterer Herkunft sind:
das Weinen eines Säuglings
.
Das Weinen eines Babys ist eine geniale Tonerfindung. Das Wirkungsvollste, das überhaupt mit einem Luftmolekül passieren kann.
Es wirkt auf zwei fundamentalen und durchaus miteinander verbundenen Ebenen der Beeinflussung: physiologisch und psychologisch.
Es hat ähnliche akustische Eigenarten wie andere Alarm- und Notfallsignale. Es weckt Aufmerksamkeit und übermittelt den Verantwortlichen
die Position. Gleichzeitig hält es die Hinweise für Angreifer von außen so minimal wie möglich. Denn die hohe Frequenz trägt
nicht so weit wie tiefe Frequenzen. Damit erreicht es vor allem die Artgenossen in
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