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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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Gedichte.
    „Die sind von dir?“, frag ich.
    „Die meisten“, sagt er. Frederick wirkt so aufrichtig. So un-angeberisch. So normal. Dabei ist er ein Verkäufer. Komisch. Ich kenne keine Männer, die Gedichte schre i ben. Nur ein paar, die Songtexte schreiben. Das finde ich, ist etwas ganz anderes. Gedichte sind beso n ders sinnlos.
    Ein anderes Buch von ihm ist ein Krimi, in dem ein Pos t bote die Hauptrolle spielt und den Fall löst. „Brief-Geheimnis“ heißt das Werk. „Das habe ich einmal im Urlaub geschrieben, ging ganz schnell“, sagt er. Ich habe es in meinen Urlauben nicht einmal geschafft, eine Pos t karte an Oma zu schicken.
    Und das dritte Buch ist seine Diplomarbeit zu irgende i nem PR-Thema. Vielleicht will er meine Ideen zu Geld machen? Vielleicht sollte ich sie ihm vererben. Ich denke darüber nach. Wir machen uns auf dem Weg zum Zen t ralfriedhof. Ich übe.
    Wir fahren mit meinem Auto hin.
    „Hast du Kinder“, fragt Frederick als er Florians Sitz sieht.
    „Meine Freundin hat einen Sohn“, sag ich.
    „Hat bei ihrem Flug dann alles geklappt?“, fragt Fred e rick.
    „Ja, ja“, sag ich.
    Ich lasse ihn meine CDs durchschauen. Er kennt die meisten. Das verwundert mich.
    Wir sprechen über das Wetter, ich erzähle die Lüge, dass ich gerne Kunst studiert hätte, aber dass meine Bilder zu wenig aussagekräftig gewesen seien. Dabei habe ich keine Ahnung von Kunst.
    „Wie hast du Frau Schönthaler kennengelernt ? “, frag ich.
    „Als ich vor ein paar Jahren im Haus eingezogen bin, h a be ich mich bei allen Nachbarn vorgestellt. Da hab ich die meisten kennengelernt. Aber bei dir war nie wer zu Hause.“
    „Ja, ja, ich bin viel unterwegs“, lüge ich und bin froh, dass ich das Läuten an der Wohnungstür bisher immer ignoriert habe.
    Während die Leiche von Frau Schönthaler, eingepackt in einen schmucklosen Eichensarg, in die Grube sinkt, denke ich an mein Begräbnis. Wenn ich so viele Menschen wie Frau Schönthaler zum B e gräbnis anlocken wollte, dann müsste ich schon jetzt mit den Einladungen beginnen. Ich zähle die Tra u ergäste. 15 sind es. Nicht gerade viele für ein langes Leben. Für ein unwichtiges Leben wie das meine wären 15 Trauernde durchaus angebracht. Da fällt mir wieder ein, dass es für Selbstmörder kein wirkliches Begräbnis gibt. Das hat mir z u mindest mal jemand gesagt. Ich denke, es war meine Großmutter. Und wer bezahlt eigentlich mein Begräbnis bzw. die Verabschi e dungsfeier bzw. die Zur-Staub-Machung oder was es dann halt immer so als Ersatz für das große, finale Ritual des Mensche n lebens gibt? Es ist alles sehr kompliziert. Wie wahr. Sogar das Aufgeben.
    Ich Idiot denke an mein Begräbnis, obwohl ich noch nicht einmal den Tod richtig geplant habe. Der Tod bleibt aber Mindestbedingung für das Begräbnis. Die Reihenfolge ist ei n zuhalten. Oder? Nein. Davor hätte ich dann auch Angst. Ich will nicht noch mehr leiden. Ich leide genug. 
    Ich hasse mich. Im Moment hasse ich mich ganz beso n ders. Wieder einmal. Ich stehe hier am Grab von Frau Schönthaler und soll selbst in zwei Tagen tot sein. Schönthalertot. Mausetot. Dummer Begriff. Verzeihung, aber ich benötige einen Verstärker um die Situation mir selbst gegenüber zu dramat i sieren. Ich fürchte nämlich, dass ich mein Ziel nicht erreiche. So wie jedes andere Ziel auch nicht. Warum sollte ich meinen Tod punktg e nau planen und präzise umsetzen können, wenn ich das in meinem ganzen Leben bei keiner anderen Gelege n heit geschafft habe. Wenn ich nicht einmal eine simple Zimmerpflanze am Leben erhalten kann. (Um das Leben erhalten geht es jetzt allerdings nicht). Wenn ich keine Beziehung auf die Reihe bekomme. Nicht mit Frauen, nicht mit Männern, nicht mit Verwandten, nicht mit mir. Wenn ich nicht kochen kann. Wenn ich von allen meinen Plänen nichts jemals umsetzen konnte. Ich bin kein Umsetzer. Oder liegt es daran, dass ich bereits schlecht g e plant habe? Ich bin eben auch kein Stratege. Kein Schachspieler. Kein Planer. Wenn, dann gerade mal ein Wochenplaner. Jetzt vielleicht. Am Schluss.
    Ich will sterben. Ich will verdammt noch mal bitte ste r ben, und ich will es ganz alleine. Tot. Tot. Tot. Ich will einfach tot sein. Ich will. Ja, ich will. Laut und deutlich sage ich es. Es soll endlich aus sein. Black Screen. Nicht einmal ein Testbild. Und ich will niemanden um Hilfe bitten und auch niemand anderen mit meiner Ermo r dung beauftragen müssen. Und ich will auf keine Tod bringende Krankheit

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