Gehoere ich halt nicht dazu
wenn ich Teil einer Gruppe bin. Wenn ich dasse l be Ziel habe wie die anderen. Wenn ich ein Teil und nicht das Ganze bin. Ich habe nicht mal im Flugzeug ein Problem. Dort bin ich einer von vielen Passagieren. Naja. Moment. Nicht ganz so einfach. Überfül l te Strände mag ich auch nicht. Volle Theatersäle. Hm. Egal. Ich denke mir immer irgendeine The o rie aus. Um sie wieder zu verwerfen. Das ist völlig bescheuert. Es ist wie es ist. Und es ist beschissen. Und ohnehin bald aus.
Ich bringe Jolanda mit Florian zu ihrer Schwester. Wir fahren im Auto , und wir wirken wie eine Familie. Jetzt mag mich Fl o rian. Glaube ich.
„Ist das ein Mercedes?“, fragt er.
„Nein“, sage ich.
„Warum nicht“, sagt er.
„Weil es kein Mercedes ist.“
„Aber es ist ein Cabrio?“
„Ja.“
„Juhu.“
Florian lacht. Mir ist nicht zu m L achen zumute. Das soll witzig sein? Pah!
Jolanda schweigt. Ich weiß nicht, ob sie das wegen der Schlangen tut, oder weil ich einfach so einen Kindersitz fürs Auto gekauft und in zwei Sekunden 200 Euro ausg e geben habe.
Florian und ich singen. „Ich geh mit meiner Laterne“, brüllen wir. Nicht, weil es gerade gut passen würde, sondern weil es das einzige Lied meiner Kindheit ist, das ich noch kann.
Ich denke, viele Kinder haben es besser als ich es gehabt h a be. Nicht, dass ich damals gelitten hätte. Zumindest habe ich es nicht gemerkt. Es war eh alles okay so wie es war. Aber jetzt mit Abstand ist die Kombination dominante Großmutter, die im Krieg gefallenen Großvater nachtrauert, angeheir a teter Großvater, der viel Geld heimbringt und immer um Liebe bettelt, sie aber nicht bekommt, j e denfalls nicht ideal. Vor allem, wenn man mehr bei den Großeltern ist als daheim. Dazu ein Vater, der nie da ist und eine Mutter, die sich ve r gisst. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich so viel Spaß hatte, wie Fl o rian jetzt beim Autofahren. Aber vielleicht darf man von einer einzelnen Sequenz nicht auf das ganze Leben schließen. Vielleicht war ich zwischendurch auch von Herzen auf glücklich und weiß es jetzt nur nicht mehr.
Florian geht zu seiner Tante , und ich bringe Jolanda zu einem Arzt. Dort arbeitet sie auch, sagt sie. Wahrschei n lich würde er sie auch gerne ficken. Vielleicht tut er es ja auch. Und sie hält still. Weil sie das Geld braucht. Spaß macht es ihr sicher nicht. Nicht mit dem Arzt.
Als ich beide abgeliefert habe, fühle ich mich leer. So leer, dass ich mich volllaufen lassen muss. Nach dem zweiten Drink spreche ich zwei Mädchen an, weil sie mich irgendwie an Jolanda erinnern. Aber die beiden sind blöd. Ich gehe zu meinem Auto und fahr noch ei n mal zur Arztpraxis zurück. Erst als ich vor der Tür stehe, schicke ich Jolanda ein e SMS. Um auf die Worte „Magst noch was trinken g e hen“ zu kommen, habe ich die ganze Autofahrt von fünfzehn Minuten gebraucht. Während ich auf Antwort warte, sehe ich mir das Ordinat i onsschild an. Ein Hautarzt. Ich denke, wenn sie nicht in zwei Minuten antwortet, will sie mich nicht, es war ein Fe h ler, dass ich hierher gefahren bin, sie will... Plötzlich vibriert das Ha n dy. „Muss noch ein paar Sachen machen. In zehn Minuten bin ich unten.“ Woher weiß sie, dass ich vor der Tür stehe? Egal. Irgendwie freue ich mich auf den Abend, das, was noch kommt. Ich hoffe nur, Jolanda riecht nicht nach Putzmittel. Das kann ich nicht ausst e hen. Aber riechen soll sie schon. Das gehört dazu. Aber bloß nicht nach Putzmittel.
Noch drei Tage, Samstag
Es war eine richtige Entscheidung Jolanda zu ficken. So ein kleiner Tod kurz vor dem großen Tod. Das passt ganz gut. Ich habe Erregung zugelassen, ich habe nette Worte zugelassen, ich habe sonst nichts zugelassen. Kein b e sonderes Gefühl. Sperma ausgeteilt. Ich bin schon kalt, obwohl mein Körper noch warm ist.
Ich freu mich jetzt schon ein wenig auf den nahen Tod. Auf den großen Tod. Den richtigen. Er hat sicher was Erlösendes. Entspannendes. Entkrampfendes. Aufrichtiges. Entschiedenes. Starkes. A u thentisches. Alles das, was mir zu Lebzeiten immer gefehlt hat. Der Tod gibt es mir. Danke. Dann bin ich endlich komplett. Ich freu mich jetzt drauf.
Ich bin froh, dass es da kein großes Gefühl gab, als ich Jolanda berührte. Es war wie Rad fahren . Man kennt die Bewegung, muss nicht nachdenken, eines ergibt das nächste. In meine Wohnung wollte ich sie nicht bitten. Da steht der Namen meiner Mutter noch an der Tür. Da riecht man meine Mutter in jedem Zimmer,
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