Geht das denn schon wieder los?
wissen? Ich war’s jedenfalls nicht!«, kam es zurück, und damit wurde auch diese Frage vorerst zu jenen vielen anderen und bis heute unbeantworteten Fragen gelegt, wie zum Beispiel die, wohin der Duden mit den neuen Rechtschreibregeln verschwunden ist, wem ich diesen scheußlichen Kratzer auf der Tischplatte zu verdanken habe, wieso nach einer angeblich nur dreißig Kilometer weiten Fahrt der Sprit in meinem vorher voll getankten Auto am nächsten Tag gerade noch bis zur Tankstelle um die Ecke gereicht hat und – last, not least – wer im Sommer das knallrote Polohemd zu den ganzen Badetüchern in die Maschine gesteckt hat. Seitdem besitze ich ein halbes Dutzend rosa Frottiertücher und ein Poloshirt, das niemandem gehört.
»Wo fangen wir denn jetzt hier an?«, wollte Steffi wissen, mit spitzen Fingern die lila Überreste einer Kugel vom Boden klaubend. »So kann’s ja wohl nicht bleiben.«
Damit hatte sie zweifellos Recht, zumal der Christbaumständer mit umgekippt war und sich das darin enthaltene Wasser überall verteilte. »Erst mal müssen wir Platz schaffen und den Teppich trockenlegen!«
»Wenigstens ist der Baum ganz geblieben!«, bemerkte Steffi, nachdem sie ihn auf der Terrasse abgestellt hatte. »Von den Kugeln dürfte knapp die Hälfte überlebt haben, und dass die Beleuchtung noch funktioniert, bezweifle ich.«
»Ich auch! Deshalb solltest du jetzt schleunigst deinen Mann anrufen, damit er nachher noch zwei Lichterketten mitbringt!« Wozu hat man schließlich einen Schwiegersohn, der mit so was handelt? »Und ein paar Kartons mit Kugeln, aber bitte keine violetten mehr.«
»Die sind schon lange ausverkauft.«
Richtig, diese Farbe war ja heuer en vogue.
Während Stefanie am Telefon hing und ihrem Hannes wortreich die vorweihnachtliche Katastrophe nebst ihren Folgen schilderte, sammelte ich die Scherben zusammen, wischte den Boden auf, tupfte den Teppich einigermaßen trocken, saugte Glassplitter und Tannennadeln weg und dachte darüber nach, dass Weihnachten irgendwo an einem karibischen Strand auch seine Reize haben musste, zumal man dort gar keine Weihnachtsbäume kennt, sondern – falls überhaupt – bunte Lichtlein an die in diesen Breitengraden üblichen Grüngewächse hängt. Und die bleiben draußen und dürfen im Gegensatz zu unseren Tannen sogar weiter wachsen und groß werden.
»Schönen Gruß von Hannes, und ob er nicht vorsichtshalber noch einen von unseren künstlichen Bäumen mitbringen soll? Der ist standfest, braucht kein Wasser, nadelt nicht, und man kann ihn jedes Jahr wieder verwenden.«
»Aber vorher steht er elf Monate lang in einer Kellerecke als mietfreies Domizil für diese fetten schwarzen Spinnen! Nein danke!«
Als Sven schließlich leicht verpliert auf der Bildfläche erschien, wirkte das Zimmer beinahe so wie vor dem Desaster, nur mit dem einen kleinen Unterschied, dass der am Vorabend noch in lila Pracht erstrahlte Tannenbaum plötzlich aussah, als habe man vergessen, ihn rechtzeitig für die alljährliche Christbaum-Sammelaktion der Jugendfeuerwehr vor die Tür zu stellen.
»Was ist denn mit
dem
passiert?«, stammelte Sven verblüfft. »Ich gebe ja zu, dass ich mit Wolle, Chris und Manni ein bisschen sehr intensiv unser Wiedersehen begossen habe, aber ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ich zwei Tage lang geschlafen und Weihnachten verpennt habe …«
»Doch«, sagte Steffi, »und wir haben dich überhaupt nicht vermisst!«
Diese Liebe unter den Geschwistern erfreut doch immer wieder das Mutterherz!
Wenig später kam auch Rolf zurück, der noch irgendwo einen Entwurf zur Begutachtung hatte vorbeibringen müssen, und dann war schon wieder Zeit zum Mittagessen, von dem ich noch nicht mal wusste, wie es aussehen würde. Warum muss man überhaupt zu bestimmten Zeiten immer etwas essen? Nur deshalb, weil man das als Kind tun musste, obwohl man oft genug gar keinen Hunger hatte? Ich hatte auch jetzt keinen. Also versammelte ich meine Lieben in der Küche.
»Es ist jetzt genau dreizehn Uhr und somit jener Zeitpunkt, zu dem eine vorbildliche Hausfrau und Mutter ihrer Familie das Mittagessen vorsetzt. Eine vorbildliche Hausfrau bin ich noch nie gewesen, Mutter bin ich nur noch bedingt, heute Abend gibt es traditionsgemäß Kartoffelsalat und Würstchen, der ist fertig, aber wehe, jemand vergreift sich schon jetzt daran, und wer nun unbedingt was essen will, der muss sich selbst was machen. Er kann’s aber auch bleiben lassen und mir helfen, die
Weitere Kostenlose Bücher