Geht das denn schon wieder los?
Frühjahr wieder feststellen können, als wir den ersten Spargel der Saison bei ihnen auf der Dachterrasse gegessen hatten – mit einer Vinaigrette, die garantiert nicht aus einer Fertigpackung zusammengerührt worden war. Bei dieser Gelegenheit hatte ich auch mit einem kleinen bisschen Neid die neue Einbauküche bewundert – da verschwindet sogar der elektrische Allesschneider auf Knopfdruck irgendwo in der Tiefe eines Unterschranks, und vor allem die gläserne Dunstabzugshaube hatte mich restlos begeistert – sieht richtig futuristisch aus, soll aber sehr pflegeintensiv sein, also werde ich wohl doch besser bei meiner alten bleiben.
Nun erfordert es die Etikette, eine derartige Einladung zu erwidern, und deshalb hatte ich einen gemütlichen sommerlichen Grillabend im Garten geplant, mit Windlichtern rundherum inklusive Mücken, mit verschiedenen Salaten (wir haben einen sehr guten Metzger!), frischem Baguette und diversen Flaschen leichtem Wein, doch irgendwie hatte es den ganzen Sommer über mit den Terminen nicht geklappt. Mal waren die Schwiegereltern verreist, dann wieder hatte Rolf keine Zeit oder Nicki und Jörg hatten nicht gekonnt, und geregnet hatte es auch oft genug. Doch nun stand Weihnachten vor der Tür und damit die letzte Gelegenheit, meinen Gastgeberpflichten nachzukommen – aber nicht unbedingt mit Selbstgekochtem!
Gestärkt mit inzwischen kalt gewordenem Cappuccino, ungefähr einem halben Pfund Plätzchen und zwei Gläsern Sekt fühlte sich Rolf stark genug, die noch übrig gebliebenen Nummern der Reihe nach abzutelefonieren. Wenn er sachlich blieb, war zweifellos ein Mann am Apparat, begann er jedoch Süßholz zu raspeln, dann musste es ein weibliches Wesen sein, und in diesem Fall räumte ich uns größere Chancen ein. Ich sollte Recht behalten!
»Also dann übermorgen um dreizehn Uhr«, beendete er das Gespräch, »und nochmals vielen Dank, gnä’ Frau, Sie haben uns aus einer ganz großen Verlegenheit geholfen.«
»Na, sooo groß war die Verlegenheit nun auch wieder nicht«, behauptete ich, nachdem Rolf den Hörer aufgelegt hatte, »schlimmstenfalls hätte ich immer noch die Tütensuppen und die Hähnchenbrüste gehabt!«
Wann Sven am späten Abend oder sogar erst in der Nacht nach Hause gekommen war, weiß ich nicht, jedenfalls war er noch nicht aus seiner Mansarde aufgetaucht, als der Weihnachtsbaum umkippte. Die nur angelehnte Terrassentür war nämlich aufgeflogen – weil der Postbote geklingelt hatte, musste ich die Haustür öffnen, und da die Zimmertüren offen standen und es draußen ziemlich windig war, gab’s Durchzug. Ich quittierte gerade den Empfang des Päckchens, da knallten gleichzeitig mehrere Türen zu, irgendetwas klirrte und im selben Moment hörte ich Steffi schreien: »Neeeiiiin!«
»Frohes Fest!«, wünschte der Postmensch und machte, dass er wegkam. Nicht mal auf das Trinkgeld hatte er gewartet. Ich drückte die Haustür zu, warf das Päckchen auf den Schuhschrank und lief ins Wohnzimmer. Und dort sah ich eine sperrangelweit geöffnete Terrassentür, durch die munter der Schnee ins Zimmer wehte, und zwei Meter davor eine entsetzte Stefanie, mit einer Hand die sich immer weiter zu Boden neigende Spitze des Weihnachtsbaumes hochstemmend, während sie mit der anderen die flatternde Gardine von den Zweigen fern zu halten versuchte. »Hilf mir doch mal! Ich kann das Ding nicht mehr halten!«
»Lass es doch einfach fallen, da ist eh nichts mehr zu retten!«
Ein weiteres Mal klirrte es, dann schlängelte ich mich an dem Tannen-Torso vorbei und schloss erst einmal die Terrassentür.
»Wie kann man den Baum aber auch genau vor die Tür stellen!« Mit spitzen Fingern sammelte Steffi hängen gebliebene Tannennadeln von ihrem Pullover. »Dort stand er doch noch nie!«
»Richtig! Aber da hatten wir auch noch nicht den großen Fernseher, und weil der nicht in das Regalfach passte, in dem der alte gestanden hatte, mussten wir das ganze Ding ein bisschen umbauen – allerdings konnte ich den früheren Standort des Weihnachtsbaums dabei nicht berücksichtigen. Entweder ungehinderter Zugang zur Terrasse und Zweige vor dem Bildschirm, oder freier Blick zur Glotze, dafür Betreten des Gartens vorübergehend nur außen herum. Und wann muss ich um diese Jahreszeit überhaupt da rein? Gar nicht! Die Petersilie wächst nämlich zurzeit im Blumentopf unten im Keller.« Dann fiel mir etwas ein. »Wieso war die Terrassentür überhaupt offen?«
»Woher soll ich das
Weitere Kostenlose Bücher