Geht das denn schon wieder los?
es gar nicht auf, weil der Raum abgedunkelt war.
Heute muss man sich vor den Fernseher setzen, damit man die Fotos hintereinander im Dreißig-Sekunden-Takt auf dem Bildschirm betrachten kann.
Ich bin allerdings fürchterlich altmodisch und mag diese digitalisierten Aufnahmen überhaupt nicht. Muss ich wirklich erst den Fernsehapparat einschalten und auf DVD -Player umstellen, dann auf der entsprechenden Diskette die ersten achtzehn Bilder durchlaufen lassen, bis ich beim neunzehnten endlich beweisen kann, dass Nicki schon zu Ostern die kurzen Haare hatte und nicht erst Anfang des Sommers? So was geht anhand des ach so antiquierten Fotoalbums aber bedeutend schneller!
Die Aufnahmen jenes arabischen Fotografen sind großartig geworden! Rein technisch gesehen lassen sie vermutlich zu wünschen übrig, doch der erleichterte Blick, mit dem ich – übrigens wenig graziös – von meinem geduldigen Tier abstieg, sagt alles! Auch Steffis unfreiwilliger Spagat, weil sie mit dem rechten Schuh an der Satteldecke hängen geblieben war, ist sehr gut herausgekommen. Am schönsten ist aber die Aufnahme mit den beiden Holländern geworden: Hendrik thront mit erhabener Miene auf dem Höcker des Kamels, während Johan ein ganzes Stück tiefer auf dem abfallenden Hinterteil des Tieres mehr hängt als sitzt, krampfhaft seinen Vordermann umklammert und entsetzt nach unten starrt. Ich kann ihn verstehen. Von oben gesehen ist es wirklich zu hoch zum Runterfallen!
Nachdem wir uns mit einem Bakschisch von den Beduinen und mit ein paar Zuckerstückchen (Susanne denkt aber auch an alles!) von unseren Dromedaren verabschiedet hatten – Hendrik hatte es mit Gummibärchen versucht, allerdings nur einen herablassenden Blick und ein heftiges Schnauben von seinem Kamel kassiert –, warf Steffi einen Blick auf die Uhr. »Kurz vor eins! Mein Magen sagt ›Zeit zum Mittagessen‹, aber die Vernunft meint, ›Du hast gut gefrühstückt, also musst du nicht schon wieder an die Futterkrippe, das macht bloß dick‹. Auf wen soll ich jetzt hören?«
»Nicht hören, sondern riechen!«, empfahl ich. »Wir sind zurzeit ohnehin nicht salonfähig!«
Geduscht und frisch gewandet fanden wir uns dann doch vor dem Lunch-Buffet wieder, weil man doch wenigstens sehen will, worauf man zu verzichten bereit ist! Aber warum soll man nicht wenigstens ein paar Löffelchen von dem bunten Salat probieren? Vitamine braucht der Mensch, Grünzeug hat keine Kalorien, und das bisschen Gorgonzola-Dressing zählt doch gar nicht. Dazu vielleicht noch zwei oder drei Scheibchen von dem kalten Roastbeef (wieso Rind? Sind hierzulande die Kühe nicht heilig? Oder gilt das nur in Indien?) und eins von diesen gefüllten Teigbällchen, keine Ahnung, was drin ist, aber schließlich will man ja auch die einheimische Küche kennen lernen …
»Versuch mal das Gelbe da drüben«, empfahl Susanne, »ich weiß nicht, was es ist, aber es schmeckt göttlich!«
Also lud ich mir noch zwei Löffel Göttliches auf den Teller, und dann brauchte ich einen zweiten fürs Dessert, denn weißer Mousse au Chocolat kann ich einfach nicht widerstehen. Die sah auf dem ebenfalls weißen Teller aber so langweilig aus, deshalb legte ich noch vier Schokoladentrüffel dazu, auf jede Seite einen, doch damit wollte ich es nun wirklich genug sein lassen.
»Du trägst mindestens achthundert Kalorien durch die Gegend«, warnte Steffi, als wir am Ende des Buffets zusammentrafen, »allein schon wegen der Mayonnaise!«
»Ich hab doch gar keine genommen!«
»Was glaubst du wohl, woraus das gelbe Zeug besteht? Das ist Mayonnaise pur, getarnt als Eiercreme!«
»Blödsinn! Susanne hat gesagt …«
»Du kannst dir von jemandem, der sich abwechselnd von Schokolade und Zigaretten ernährt, keine kulinarischen Empfehlungen geben lassen – Susanne weiß doch nicht mal, wie man Mittagessen schreibt!«
»Aber sie scheint zu wissen, was das ist!«
»Ja, vom Hörensagen …«
Nun behauptet ein häufig zitiertes Sprichwort, dass man nach dem Essen ruhen oder – als Alternative – tausend Schritte gehen soll. Letzteres verbietet sich in der Wüste, weil es um diese Zeit einfach zu heiß ist; das ist es vormittags und nachmittags zwar auch, doch
deutsche
Sprichwörter sind auf
deutsche
Verhältnisse zugeschnitten, und in Deutschland
könnte
man ohne weiteres spazieren gehen, wenn man denn wirklich wollte. Man will aber nur Ausnahmefällen, entscheidet sich lieber für die andere Variante und zieht sich zwecks
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