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Geht das denn schon wieder los?

Geht das denn schon wieder los?

Titel: Geht das denn schon wieder los? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Phänomen die passenden Worte finden. Bei ihnen geht die Sonne nicht einfach nur auf, nein, sie erhebt sich vielmehr aus dem Dämmer der scheidenden Nacht, lässt die ersten zaghaften Strahlenfinger suchend über den Horizont gleiten, und wenn sie nach einem halben Dutzend weiteren Präliminarien nun wirklich aufgegangen ist, sind anderthalb Seiten voll.
    So was kann ich nicht! Ich habe schon viele traumhaft schöne Sonnenuntergänge gesehen in nicht minder traumhaft schönen Gegenden, doch ich könnte sie nie beschreiben, ohne dass es entsetzlich kitschig klingen würde. Mit dem Mond geht’s besser, muss wohl daran liegen, dass er männlich ist.
    Jedenfalls waren Steffi und ich fest entschlossen, hier wenigstens einmal den Sonnenaufgang zu erleben, wer weiß, ob wir noch mal eine ähnliche Gelegenheit haben würden, so viele Wüsten gibt’s ja nicht.
    Hannes hatte sich allerdings von vornherein ausgeklinkt mit der Begründung, er habe die Sonne schon mindestens ein Dutzend Mal über dem Meer aufgehen sehen, das sei ebenfalls unendlich, und sehr viel anders könne es mit Sand statt mit Wasser drum herum auch nicht sein. Außerdem sei es nachts in der Wüste lausig kalt, und überhaupt sehe er nicht ein, weshalb er im Urlaub noch früher aufstehen solle als an einem normalen Wochentag zu Hause.
    Diese Ansicht hatte auch Susanne vertreten, ließ sich dann aber doch überzeugen, dass dreiundachtzig Pfennig pro Minute einfach zu teuer seien, um sie größtenteils schlafend auszugeben. Also schritten wir gemeinsam irgendwann zwischen fünf und halb sechs Uhr morgens durch die Tür, sahen uns schweigend an und drehten wieder ab, um die Shorts gegen lange Hosen auszuwechseln und im Koffer nach dem jeweils einzigen Pullover zu kramen, den wir mitgenommen hatten.
    »Das muss über Nacht einen Kälteeinbruch gegeben haben!«, war für mich die einzig logische Erklärung. »Ich kriege ja schon jetzt kalte Füße!«
    Steffi kam uns herbstlich Gewandeten bereits entgegen, musterte uns von unten bis oben und schüttelte nur den Kopf. »Ihr spinnt doch! Wir gucken uns den Sonnenaufgang in der Wüste an und nicht das Nordlicht in Alaska!«
    »Ach ja? Und weshalb hast du in deinen kurzen Hosen schon jetzt blau gefrorene Knie?«
    »Weil mir zwar momentan noch kalt ist, aber bestimmt nicht mehr lange!« Entschlossen marschierte sie Richtung Pool.
    »Da ist doch nicht Osten!«, widersprach Susanne. »Wir müssen …«
    »Das weiß ich selber, aber erst mal müssen wir aus dem Gelände raus! Am Palast vorbei will ich nicht, da fängt uns bestimmt wieder ein Aufpasser ab, der Angst hat, wir könnten verloren gehen!«
    Damit hatte sie zweifellos Recht. Wir wurden nämlich rund um die Uhr bewacht! Unauffällig zwar, doch sobald sich jemand aus dem eigentlichen Hotelbereich zu entfernen schien, tauchte wie zufällig ein Angestellter auf und erkundigte sich höflich, ob er irgendwie behilflich sein könne, denn offenbar sei man doch auf der Suche nach irgendetwas Bestimmtem. Anscheinend war aber noch niemandem der Gedanke gekommen, die Wüste könne für Europäer ganz andere Reize haben als Kamelritte und Falkendressur, jedenfalls konnten wir ausnahmsweise mal ungehindert unser Luxusghetto verlassen und marschierten nun zügig in Richtung Osten – sofern Susannes Kompass stimmte. Andererseits habe ich noch nie gehört, dass die Kompassnadel woanders hinzeigt als nach Norden – außer am Nordpol vielleicht, aber da bin ich noch nie gewesen.
    Erste Zweifel kamen uns, als es immer heller wurde, obwohl doch die Sonne noch gar nicht aufgegangen war, denn hell wird es doch erst, wenn die Sonne aufgegangen … Oder etwa nicht? Und lag der Osten wirklich dort, wohin wir so zielstrebig kraxelten, immer Düne rauf und Düne runter, nächste Düne rauf und wieder runter …
    Als ich zum ungefähr achtundzwanzigsten Mal den Sand aus meinen Slippern schüttelte und mich dabei in eine Art Kaktus setzte, hatte ich endgültig genug. »Leute, da stimmt irgendwas nicht! Es ist doch schon richtig hell, außerdem habe ich jetzt mindestens ein halbes Dutzend Stacheln im Hintern, den Sonnenaufgang haben wir irgendwie verpasst, und jetzt will ich nach Hause. Oder hat jemand zufällig eine Pinzette dabei?«
    »Quatsch!«, widersprach Steffi. »Wenn die Sonne da wäre, müsste es schon viel wärmer sein. Ist es aber nicht.«
    »Mir ist warm genug!« Den Pullover hatte ich bereits vor längerer Zeit ausgezogen und die Hosen bis zum Knie hochgekrempelt.
    Nur

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