Gehwegschäden
nicht mehr. Am liebsten die Flasche. Wie am Anfang, in Odessa, als Anna das Hündchen bekommen hat, Uliza Petraja im dritten Bezirk, am Ende schließt sich doch der Kreis, kommen Sie, wenn der Hund genug hat, dann machen wir Schluss. Anna streichelt ihren Hund, legt den Kopf auf das Fell, hört ein Pochen. Langsam, leise, jemand lacht. Anna aus der Ukraine. Anna, die raus wollte aus Odessa mit Lara und Deutsch lernte. Anna, die raus will aus Deutschland und Norwegisch studiert. Anna, die lernt und leidet wie ihr Hund. Kommen Sie, wenn der Hund genug hat – jemand lacht –, kommen Sie …
Seitenflügel, Dachgeschoss links: Burkhardt und Sändi. Dieses schöne, unbeschwerte, junge Lachen. Dieses hübsche Schwafeln im Wechsel mit seinem röchelnden Bariton, ein Lachen wie vor dem Sündenfall. Er: Norddeutscher. Sie: Österreicherin. Er: Pokerspieler. Sie: Debeka Versicherungen, Sekretariat mit Aspiranz zum Außendienst. Es ist eine dieser Allianzen, die vom Glück nur so gesegnet sind. Zwei Zimmer, 85 m², zwei Terrassen. Das mietet er alleine, 985 Euro warm, aber sie schon halb eingezogen, er hat es nur noch nicht bemerkt. Eigentlich macht sie Webdesign, aber da ist wegen massiven Überangebots momentan nichts zu holen. Ach Bärchen, uns is so wohl. Er hat in London gelebt, Eigentumswohnung gekauft. Sagst du mir Bärchen, nenn ich dich Hasi. Hasi lacht. Das haste jezz davon. Und wohler könnt uns schon sein, zum Beispiel in Thailand. Sagt er. Vermietet in London. Bringt nicht schlecht Geld. Phuket, dreimal im Jahr sechs Wochen. Ach Bärchen, Hasi, des klingt guad. Lacht so herzlich. Kleine Inseln, einsame Hütten, Hängematte. Immer auf der Suche nach The Beach. Sie: die Berg. Immer: die Eltern. Kleine, heile Dorffamilie, im Sommer Tennisschule, im Winter Skiverleih. Es ist eine dieser Allianzen, die einfach richtig klappen. Burkhardt bringt mit in diese Allianz: zwei Aluminiumkoffer mit Samples und Videos von Jugde Dredd bis Zorro. Sändi bringt mit: eine Trompete, Nussschnaps von zu Haus und Tiroler Speck. Eine Matratze, Stehlampe, Computer, Laptop, Yucca-Palme und Orangenbäumchen mit Schleifchen noch drum vom Geburtstag mit Burger und Nussschnaps auf der Terrasse, anschließend chillen im Watergate mit Blick auf die Oberbaumbrücke und flachlegen zu Haus. Diese Allianzen passen immer. Fast schon idiotensicher. Nicht aufregend, aber auch nicht kaputtzukriegen. Nicht die große Liebe, aber lebensfähig, das hat Burkhardt kurz vor seinem Vierzigsten schon rausgekriegt, es muss ja auch lebensfähig sein, darauf sie, die Sändi, Mitte zwanzig, des is ja klar, olles ondere wär a a Hirngspinst, gei, spinnst, darauf er, lachend: ja, gell, spinn ich, darauf sie: na ehm ned. Keine Liebe, nur Glück. Das heißt: Sie, die Sändi, liebt schon ein wenig mehr als er, der Burkhardt, glaubt sie, nur er weniger bis gar nicht. Ist ihm alles ein bisschen einerlei, dem Burkhardt, bisschen fade, aber ja. Trauert manchmal noch der Bulgarin nach, der Burkhardt, in London ist die jetzt. Wär er mal dortgeblieben! Die Österreicherin aber da. Die bleibt auch da, wohnt schon halb hier, er weiß es bloß noch nicht.
Sie liegen auf der Matratze.
Er spielt Seven Card Stud und Texas Hold’em. Sie hätt gern studiert, wie die Sebi, ihre Schwester. Jeden Tag telefonieren sie, die Sändi und die Sebi, Skype, und verfallen am Bildschirm in ihren alten Babytalk. Haddu gut geslafen? Jooo! Tu ma bald wieda Löffelchen slafen? Jooo! Er liebt Ring Games und Turniere. Sie hätt halt gern studiert, hätt auch Wirtschaft sein können auf Fachreife wie die Sebi. Er fasst ihr in den Schritt. Burkhardt liebt Bob Dylan, hört aber jetzt Lovely Day , das ist ihr Lieblingslied, jeden Tag hört sie es. Burkhardt träumt davon, nichts als Pokerspieler zu sein, knechtet aber fünf Tage die Woche bei smoothpoker.de, einer Internetbude in Moabit. Es sind Trickser, die miese Betrügerbude mit Firmensitz auf Malta. Die Sändi stöhnt. Er schiebt ihn rein, Löffelchenstellung, das hat sie am liebsten, todsicher. Sie stöhnt. Jo, bitte! Tu’s, bitte, er ächzt, tu’s mir, Lovely day, dieses junge Stöhnen, Seafood jeden Freitag, weil sie katholisch, ist ihm auch Thai wie Sushi, Hauptsache ficken, sie jetzt: huuuuijooo, er spritzt ab, sie: jooohaaaa, er streichelt ihr Haar und klapst zärtlich auf ihren Hintern.
Ah, lovely.
Burkhardt setzt sich auf.
Er macht es sich auf dem Kissen an der Wand bequem, nimmt einen Arm hinter den Kopf, knipst den Fernseher an und
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