lacht.
»Wieso lachst du?«
»Ach nichts, weil’s hier so lustig ist … warum denn?«
»Was weiß ich? Ich glaub, ihr Alter macht’s nicht mehr lang. Ich hab’s grad von meiner Frau erfahren, irgendein Polack hat angerufen.«
»Na ja, das tut mir leid …«, schmunzelt Thomas.
»Leid? Diese Unperson! Wo soll ich denn jetzt so schnell Ersatz herholen? Jetzt, wo wir gerade am Wochenende mit Jack und Paula das Haus am See in Mc Pom gemietet haben? Seit drei Monaten versuche ich dieses Haus für ein beschissenes Wochenende zu kriegen! Und? Immer ausgebucht. Immer! Und dann so was? Nach allem, was wir für diese Frau getan haben? Ich meine, die kriegt viertausendachthundert Euro im Jahr?! Hallo? Viertausendachthundert! Freie Kost und Logis in einer Luxusvilla, in der mal der Außenminister der Weimarer Republik gewohnt hat. Hallo? Da kann man doch erwarten …«
Thomas hängt ein. Es folgen mehrere Textnachrichten erbosten Inhalts, die Thomas löscht.
Iepe räuspert sich. Er blickt aus seinem Bürofenster auf die Mülltonnen im Hof, Thomas wippt auf dem ledernen Schwingstuhl auf und ab.
»Und wie viel Strafe hast du gekriegt, damals in Tokio?«
»Zehn Tage und 500 Euro. In Deutschland waren es 250 Euro für einen gemeinnützigen Zweck. So. Das ist das dritte Level. Die rechtliche Konsequenz. Dass man sich als Künstler mit dem Rechtssystem anlegt. In Westeuropa kommst du mit einer Spende davon, in Japan kommst du nur mit Hilfe der holländischen Botschaft wieder raus, und wenn du das in China machst, bist du erst mal ein Jahr im Knast.«
Iepe nimmt sein Telefon, tippt darauf herum und vergrößert irgendwelche Handybilder. Thomas muss einen kurzen Moment an beautiful hairy Josie Rall denken. Iepe spricht.
»Aber die Endstation von Social Sculpting kann nicht sein, dass ein Künstler etwas macht, damit das Publikum das annimmt, sondern der nächste Schritt – in zehn oder zwanzig Jahren – ist, den Leuten beizubringen, etwas zu selbermachen. Sagt man so?«
Thomas nickt, schaut aber komisch.
»Ich wollte unbedingt diese soziale Skulptur bauen. Ernsthaft. Das waren viele Wochen Arbeit. Du denkst, scheiße, ich muss zur Kirche. Ich glaub, ich muss gleich weg.«
Thomas sieht auf die Uhr.
»Okay, ganz schnell noch …«
32. Thomas ist glücklich. Seine Sandra schiebt ihre Bedenken beiseite und hat stark behaarte Brüste
[email protected] Montag, 20:33:48 h
: Liebe
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich jetzt nicht Blut geleckt hätte. Hab deine Mail jetzt schon zum dritten Mal gelesen. Ist schon faszinierend. Die ungewöhnlichen und erstaunlich sinnmachenden Assoziationsketten und dein bestechender Sinn für Selbstironie, den ich schon immer bewundert habe. Abgesehen davon wurde natürlich auch jedes Mal mein Ego ganz fett gestreichelt. Kommt nicht oft vor und weiß noch nicht recht, wie ich damit umgehen soll.
Die Frau eines alten US-Professors von mir, Elaine Hatfield, ist Psychologieprofessorin mit dem Spezialgebiet »Liebe«. Sie unterscheidet zwischen Passionate love (sexuelle Anziehung und intensive Gefühle) und Compassionate love (gegenseitiger Respekt, Vertrauen und Zuneigung). Ersteres, die emotionale Achterbahn, ist neben dem Rausch- und Glücksgefühl auch verbunden mit Ängsten, Selbstzweifel, Wut und manchmal sogar Hass. Dementsprechend assoziiere ich mit der aufsteigenden Euphorie auch automatisch den unausweichlichen Fall und würde am liebsten gleich alles mit Kissen auslegen.
Aber vielleicht sollte ich einfach meine Bedenken beiseiteschieben und die von endogenen Opiaten vernebelten Komplimente eines talentierten Autors mit offenen Armen auf mich regnen lassen. Der Fairness halber möchte ich aber auch auf meine stark behaarten Brüste, meine Unfähigkeit zu kochen und meine Grobmotorik beim Schwimmen hinweisen.
Alles Liebe!
Sandra
Thomas wurde schwindelig. Ihre behaarten Brüste gingen ihm sofort in die Hose. Besser noch. Sie hatte ihn erhört. Sandra war dabei, ihre Bedenken über Bord zu werfen. Endlich. Mehr als ein halbes Jahr war vergangen, seit sie ihn mit ihrer Punkt-Null-Uhr-Nachricht zu Silvester total überrumpelt und überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte, das hübsche Spagatmädel vom Schachboxen könne tatsächlich was von ihm wollen.
Du bist super.
Was für eine SMS. Was für eine Chuzpe. Diese punktgenaue Abstraktion bei größtmöglicher Unschärfe. Diese perfide Perfektion aller Zweideutigkeit, die Brechung banaler Wirklichkeit mittels