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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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beiseiteschieben« – Thomas stellte sich da ein Strichmännchen vor, das ein großes Wort aus Stein wegschiebt, sich dagegen stemmt, dabei stöhnt, schwitzt und mit einer Mickey-Mouse-Stimme furchtbar flucht – mochte eine verborgene Symbolik enthalten. Dann waren da noch die Kissen, die sie gern auslegen würde, und die eindeutig sexuelle Anspielung und zutiefst intime Offenbarung der behaarten Brüste. Alles in allem eine Hammermail.
    Thomas war so begeistert wie befeuert. Er machte sich umgehend einen Kaffee, um seine Ekstase zu steigern. Wieder und wieder las er ihre Zeilen. Er legte Zettel und Stift neben die Kaffeetasse und begann schon mal, den Entwurf einer Antwort grob zu skizzieren. So etwas will sauber überlegt sein. Mal sehen. Brüste? Am besten noch riesige Titten aus Stein, aus denen stacheliges Gestrüpp wie Schweinsborsten spross und die man erst beiseiteschieben musste – Thomas schüttelte den Kopf. Im Ernst. Liebe? Nein. Kissen? Kissen. Damit ließ sich was anfangen. Und eines war klar: Er musste ihr jetzt unbedingt ein Treffen unter vier Augen vorschlagen.
    Es vergingen drei Tage, bis sie antwortete.
    Thomas öffnete seinen virtuellen Briefkasten mit einem Mausklick auf das Briefkastensymbol, sah, dass sich darin eine Mail von Sandra befand, machte sich einen Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und steigerte seine Vorfreude noch eine Weile.
    [email protected]
    Freitag, 11:12:21 h
    Re: re: Liebe
    Lieber Thomas
    Nach langem Ignorieren komm ich wohl nicht drum rum jetzt Tacheles zu reden. Im Gegenteil, bisher habe ich anscheinend alles nur noch schlimmer gemacht.
    Also wenn ich das, was du mir bisher geschrieben hast, als Frage formulieren würde, dann wäre meine Antwort Nein. Aber ich schulde dir offensichtlich eine Antwort. Zum Beispiel auf die Frage, warum ich nicht auf deine SMS, Mail und mündlichen Andeutungen/Einladungen reagiert habe. Auf die eindeutigen Nachrichten habe ich nicht reagiert, weil ich mir schon gedacht habe, dass neben dem Verfasser eine leere Rotweinflasche steht. Und ansonsten habe ich keine Zeichen gesehen, keine Signale bemerkt und keine Andeutungen erkannt, was wohl daran liegt, dass ich viel zu stumpf für sowas bin. Ich würde sagen, der liebe Gott hat sich einen Spaß erlaubt und willkürlich die Botenstoffe eines Erdenmenschen Amok laufen lassen, was zur Fixierung auf eine weitere Person führte, deren Dopaminausschüttung wiederum von der Laune des Herrgotts abhängt. Ich habe das ganze Thema falsch eingeordnet und das tut mir leid. Ich weiß auch nicht, wie wir aus dieser Nummer ungeschoren wieder rauskommen.
    Aber abgesehen davon wollte ich dir noch sagen, dass ich deine letzten E-Mails als großen Vertrauensbeweis empfinde, was ich sehr zu schätzen weiß. Und ich bewundere sehr, dass du trotz emotionaler Achterbahn versuchst mich zu verstehen.
    Sandra
    Thomas Frantz wurde schwindelig. Mit Mühe konnte er sich auf dem Stuhl halten, als würde er sich seiner gesamten Schwere schlagartig bewusst. Schließlich schaffte er es, aufzustehen, taumelte eine Weile durch seine Wohnung und vollführte eine Übersprungshandlung. Dann setzte er sich an den Toshiba. Er öffnete eine Datei und skizzierte eine geharnischte Antwort.
    file: OVER 1
    Liebe Sandra.
    Da habe ich mich schon gefreut, von dir zu lesen, mir den Kaffee hingestellt, eine Zigarette angezündet und die Vorfreude noch ein bisschen verlängert.
    Du triffst mich mitten ins Herz.
    Man konnte deine Mails ja immer so oder so lesen. Die Teufelei unserer Zeit ist die Vagheit, hat neulich jemand gesagt. Nein, mach dir keine Sorgen. Ich fang mich schon wieder.
    Ich habe mich auf ein gefährliches Spiel eingelassen, das weiß ich. Aber mir ist die Reduktion auf einen völlig willkürlichen Hormoncocktail zu einfach. Es gibt immer Gründe, gute und schlechte. Zum Beispiel hat es etwas mit einer Entscheidung zu tun. Ich kann mich entscheiden, mich zu verlieben oder mich dagegen entscheiden. Bereit sein dafür, oder nicht. Offen darauf zugehen oder die Doppeldeckung hochziehen, und da fängt es ja erst an. In Watte packen geht nicht. Dann hab ich eben verloren. Aber man gewinnt auch immer etwas.
    Der Fairness halber will ich noch sagen, dass es immer unfair ist, sich in ein anderes Leben einzumischen. Du hast sicher Gründe, die mich auch nichts angehen. Und natürlich kommst du aus der Nummer ungeschoren wieder raus. Tu einfach so, als wär nix gewesen.
    Scheiße. Ich hätte dich gern kennengelernt. Ich geh

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