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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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siebenunddreißich und det des von der SED beauftrachten Architekten Hans Schlüter übereinander, erjibt sich eine beinahe identische Raumaufteilung. Auch die Kantine der NSDAP im sechsten Stock wurde von der SED übernommen. Irjendwo wollten se ja sitzen.«
    Müller sieht Frantz von der Seite aufs Kinn und wartet auf Beifall.
    »Irre!«
    »Wa?«
    »Absolut kein Unterschied!«
    »Jehn wer eene Treppe höher, da wird et interessant.«
    Der dritte Stock ist wie die beiden ersten Etagen vollkommen entkernt. Die Leere ist erdrückend. Frantz atmet schwer. Müller wieselt durch den Raum und bleibt in der rechten der beiden Fensterrundungen stehen.
    »Hier im dritten Oje war det Pieck-Zimmer. Jenau hier. Det schönste Zimmer inner Rundung mit Blick zum Alex. Pieck is ja Tischler jewesen, von Beruf, daher hat er darauf jeachtet, dass et ordentlich verkleidet wurde und nich mit Spanplatten. Im zweiten Oje is det Rundzimmer des Parteivorstandes jewesen, der Tagungsraum. Da hing bis vor kurzem noch die Runddecke mit Neonröhren. Die Holzvertäfelung wurde abjebaut und aufjehoben. Det Pieck-Zimmer im dritten Oje war schon ausjebaut jewesen, als der Berg und seine Leute hier ankamen. Ick hab’s noch jesehn. Et soll jetzt im Deutschen Historischen Museum sein. Det Historische Institut machte aus dem Zimmer een Kabinett. Nach der Wende war et versiejelt worden, und als det Institut in die Finkenstraße umjezogen is, wurde es ausjebaut.«
    Müller fährt fort.
    »Et war det einzije Büro mit Blick auf den Alex. Grotewohl bekam die Butze im anderen Rundbogen. Da drüben. Sehn Se? Der guckte uffn Friedhof. Weil der Grotewohl ja von der SPD kam. Pieck war von der KPD jewesen. Det zeigt schon die interne Jewichtung, obwohl ja die Funktionen paritätisch besetzt wurden. Da war doch klar, wer det Sajen hatte, auch wenn Grotewohl eigentlich sojar der Chef von Pieck jewesen war. Jenfalls jleichberechticht. Et war jenau det jleiche Zimmer, aber ehmt zum Friedhof. Det is der Unterschied. Da kam et aber janz jenau drauf an, ob eener in Moskau oder in Mexiko oder jar nich im Exil war.«
    »Berg hat aber vom Pieck-Zimmer gesprochen …«
    »Na ja. Der meint det Tagungszimmer im zweiten Oje. Det wird jetzt restauriert. Det verkoofen se dann als Pieck-Zimmer, aber et bleibt im Deutschen Historischen Museum, da jehört et ja auch hin. Auch im Tagungszimmer jab et Wandverkleidungen, Holztüren, Vertäfelungen, Rejale und Marmor, det hat der Berg ausjebaut.«
    Sie stehen nebeneinander am Platz des ehemaligen Pieck-Zimmers vor den Fenstern und gucken runter auf den Alexanderplatz.
    »Da war doch der Siebzehnte Juni. Der Arbeiteraufstand in der DDR. Meinen Sie, die standen damals so da wie wir jetzt und haben sich das in Ruhe angesehen?«
    »Am Siebzehnten Juni war die Masse der Aufständischen auf der Stalinallee vor dem Haus der Ministerien. Da unten standen ooch welche. Bloß hier oben nich. Et war ja keener mehr da. Als det hier brodelte, warn die schon alle in Karlshorst.«
    Sie stehen unten im Hof. Thomas Frantz bedankt sich ausschweifend für die Führung. Der Bauhistoriker schüttelt Frantz die Hand und lächelt.
    »Schreim S’ et richtich.«
    Da sieht ihn Frantz eindringlich an.
    »Aber jetzt noch mal unter uns Historikern. Wie konnte das passieren, dass sich ausgerechnet die Heuschrecken ein solches Gebäude krallen? Und alle finden’s geil? Nicht einer hat sich in der Presse darüber aufgeregt.«
    »Na ja. Ooch unter uns. Die wissen det ja ooch nich.«
    »Aber das ist doch ein Unding. Ein solches Haus der deutschen Geschichte als Hotel für Snobs und reiche Clubmitglieder? Schon allein das müsste doch Ärger geben.«
    »Jut. Jefällt mir ooch nich. Andererseits: Wer soll et denn sonst koofen, so ’n Biest, historisch kontaminiert bis unter die Jaube. Det so ’n Jeld kostet, und unter jedem Quadratmeter Parketthölzchen liegt ’ne Tellermine? Ick meine, der Eppelmann hat et ja versucht. Der und ’n paar andere Bürgerrechtler. Die wollten ’n Museum draus machen, aber der Bund hat abjelehnt. Konnt ja keener bezahlen, die Stadt schon jar nich. Wo doch die Erben schon so ville verlangt hatten, und jahrelang isset deswejen leerjestanden. Wird ja nich besser im Leerstand, so ’n Jebäude. Sie ham et ja jesehn, wie et reinjerechnet hat und drinnen schon verfault war.«
    Das leuchtet Frantz ein.
    Müller zuckt mit den Schultern.
    »Und noch ’n Museum? Ham wa da nich schon jenuch von?«
    Auch das leuchtet Frantz ein.
    »Eijentlich jar

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