Geier (German Edition)
durstige Pizzakundschaft verkloppte.
“Wäre noch ein Geschäft, so ein Pizzaauslieferungsdienst”, überlegte Sammy, aber er hielt von meinem Vorschlag nichts, die Pizzen von Nutten an die Tür bringen zu lassen. Dann könnte man wenigstens an Essen, Trinken und Nachtisch verdienen, dachte ich.
“Derweil die anderen Pizzen im Auto kaltwerden”, sprach der vorausschauende Geschäftsmann und behielt recht.
Wir aßen, tranken, erzählten uns gegenseitig die tollsten Geschichten und überwiesen danach, als Höhepunkt meines Vormittags, locker hunderttausend Dollar auf eines meiner neuen Konten. Ohne, dass ich Misty einen Vertrag oder auch nur eine Quittung unterschrieben hätte. Vertrauen, Freunde! Vertrauen.
Der Notariatstermin war um halb zwei. Kurz vorher fanden sich die beiden in der Kanzlei ein, während ich im Café gegenüber wartete. Ich schlürfte meinen Cappucino, bestellte mir ein paar Plunderstücke und las.
Sie kamen gegen vier ins Café und schienen zufrieden. Misty, weil sie endlich die Betriebe vom Hals hatte, Sammy, weil er zwei neue Unternehmen besaß, die ein Heidengeld abwarfen und ihm die Kinder fern, aber warm hielten.
„Ich halte die Hypothek, und Winston hat seinen Anteil auf der Bank“, sagte Misty, deren überschwängliche Begeisterung im winzigen, engen Café fehl am Platz war. Sie brauchte Weite, Luft und Licht. Wir holten also das Auto aus der Tiefgarage, fuhren in die Tanzschule und holten Sekt und Kekse. Dann marschierten wir drei tapfer über Stock und Stein bis zum Slot Canyon. Dort setzten wir uns, sahen zu, wie der Tag in den Abend überging, und waren zum letzten Mal im Leben zusammen glücklich.
Wenn man alles vorher wüsste.
36 Gonzales
Misty überraschte mich. Als wir heimkamen, ging sie ins Schlafzimmer und begann, Kleidung in einen Koffer zu packen. Ich fragte, ob sie verreist.
„Ja, Schatz“, meinte sie mit liebem Lächeln. „Mit dir.“
„Ach, ja?“
„Na, ich habe heute schließlich meine Ranch an Sammy verkauft, und ich werde ihm doch nicht zur Last fallen. Ein Haus kaufen und gleich Gäste? Kaum. Also fahre ich mit dir nach San Miguel und bleibe in der Mission. Ignacio weiß Bescheid. Der freut sich schon.“ Sie schaute mich groß an. Verdammt. Und wenn sie was von Cherie erfährt? Wird sich ja wohl kaum vermeiden lassen.
„Ich will nicht, dass du dich wegen mir irgendwie behindert oder verpflichtet fühlst“, kam sie mir zuvor. „Ich bleibe bei Ignacio, werde mich um ein paar Dinge kümmern, die erledigt werden müssen, und du machst, was du machen musst. No problem, mein Lieber.“
Schön. Was soll ich da sagen? Sie war unter Ignacios Schutz bestimmt weniger gefährdet als allein in ihrem Puff hier in der Wüste. Oder gar mit Sammy, der vermutlich die Hilflosigkeit selbst war, wenn es brenzlig wurde.
Ich half ihr, während Sammy sich draußen mit den Damen unterhielt, was mit viel Gequietsche und sonorem Lachen vor sich ging. Als ich vor die Tür trat, um ein wenig frische Luft zu schnappen, hatte jemand das Radio aufgedreht und Sammy tanzte mit der Mexikanerin einen Cumbia. Wie in Cuba – Originalbewegungen, den diffizilen Rhythmus, alles hatte Sammy drauf. Die Damen liebten ihn. Prima.
Ich schaute mir die spontane Fete ein paar Minuten an, bis Misty rauskam. „Komm, hauen wir ab“, befahl sie. Ich kam kaum hinterher, wollte ihr den Koffer abnehmen, aber sie meinte, das ginge schon.
„Und dein Rolls?“
„Den habe ich Sammy geschenkt. Dafür zahlt er die Rechnungen, die noch fällig werden. Ich will ihn nicht mehr. Ich will frisch anfangen, und dazu gehört kein Rolls-Royce.“
Wow. So was nenne ich radikal. Gefiel mir. War schließlich ihr Geld, und sie scheute sich nicht vor Entscheidungen.
Wir stiegen in den Leihjeep, klappten das Verdeck hoch, winkten den Feiernden adieu, was wir uns hätten sparen können, so wenig fiel unser Abschied auf, und brummten los. Wieder durch den Hinterausgang, über die Wüste und auf den Freeway.
Von unterwegs rief sie Ignacio an. Der würde auf uns warten.
Um halb zwölf kamen wir in San Miguel an. Um halb eins waren wir drei gut voll. Ich vor Muffenbier, Ignacio vor Freude und Misty von einheimischem Rotwein. Schön war´s, zusammen zu sein.
Dienstag schliefen wir aus und frühstückten ausgiebig mit Ignacio. Seine Kollegen hatten schon längst ihre Tagesarbeit begonnen, aber er genoss ja einen Sonderstatus – noch war er nicht offiziell Mönch, noch hatte er
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