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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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wenigen Raubvögel, die in der Tageshitze Hunger verspürten, zogen lange Kreise im weißblauen Himmel.
    Viel zu schön, der Tag. An solchen Tagen entscheiden sich Besucher, alles hinzuwerfen und in Kalifornien ihr Glück zu versuchen. Deshalb haben wir so viele Leute hier. Vierunddreißig Millionen, und jedes Jahr kommt eine weitere Million hinzu. Katastrophe. Bald ist der Staat so unbewohnbar wie New York und New Jersey, wie Illinois und Michigan.
     
    Als ich die Ausfahrt Avila hinunterfuhr, sah ich schon die Möwen überm Sanatorium kreisen. Ein Kondor umsegelte den Diablo und stieg in seiner Thermik auf bequeme Beobachtungshöhe, ohne auch nur einmal die gewaltigen Schwingen zu bewegen. Raubvögel starrten auf den manzanitabewachsenen Berghang, damit ihnen ja nicht die geringste Bewegung entgehe. Und vor mir bremsten die beiden Autos, die ich gerade überholen wollte. Ich stieg aufs Bremspedal und brachte den Truck mit knapper Not vor der Stoßstange meines Vordermannes zum stehen. Am rechten Straßenrand flackerten rote und blaue Alarmleuchten in Polizei-im-Einsatz Hektik. Einer der Cops streckte seine Handfläche abwechselnd beiden Fahrtrichtungen entgegen. Ein hellroter Honda streckte sein schmales Heck aus dem Straßengraben.
    Julie fuhr einen königsblauen. Ich trödelte vorbei, sauer auf die Glotzer, die jede Unfallstelle zum Live-Event machen.
    Fünf Minuten später war ich in Avila. Parkte an der Promenade, hundert Meter vom Hotel entfernt, und beobachtete die Straße im Rückspiegel. Trotz Jahreszeit und Wochenende war nicht viel los. Solche Kaffs wie Avila haben´s nicht einfach. Einst waren sie nur company towns, Orte, die von den Ölgesellschaften als Stützpunkte gegründet wurden. Wo man Erdöl förderte, lagerte oder hintransportierte.
    Bis vor ein paar Jahren standen noch riesige Lagertanks auf der höchsten Erhebung dieses Strandortes, die beste Aussicht über Meer und Küstengebirge hatten die zwanzig Mann, deren Job es war, aufzupassen, dass keiner das Öl klaut. Heutzutage wäre so ein Bauplatz unbezahlbar, aber diese Hügelkuppe würde nie bebaut werden. Da war seit fünfzig Jahren Öl ausgelaufen, Tanks waren geplatzt und Rohre undicht geworden. Was damals niemanden weiter störte. Versickerte das Rohöl im Erdreich, ging es nur wieder dorthin, von wo es gekommen war.
    Die lockeren Umweltansichten rächten sich nun. Sommerfrischler kannten sich mit Krebserregern aus. Die waren nicht mehr bereit, alles hinzunehmen, wenn nur das Zimmer billig war. Und wer noch mit sich über Erdöl reden ließ, der kam schlecht am Atomkraftwerk vorbei, das hinterm Berg lauerte. Die Avilenser mussten also eine Gästeschicht ansprechen, die etwas ganz bestimmtes im Sinn hatte. Biker, die in bullenfreier Umgebung ihre Treffen veranstalteten und dabei zu Hunderten auf dem Strand vor der Stadt herumvögelten, betagte Lehrerinnen, denen lebensdauerbedingt ohnehin alles egal war, solange der Preis stimmte, und Jugendliche, die hier ruhig mal etwas lauter sein durften.
    Daran hatte auch der gewonnene Prozess gegen die Ölfirma nichts geändert – die Ölfritzen hatten fast die gesamte Stadt abgerissen, hatten die verseuchte Erde abgetragen, von irgendwoher frischen Dreck angekarrt und hingeworfen und dem bis dahin sehr nach amerikanischen Pionierkaff aussehenden Dorf einen modernen mediterran-maurischen Look verpasst, mit weißen Wänden, roten Dachziegeln, Rundbögen und Palmen an der Strandpromenade, wo früher Harleybesitzer Ölwechsel vornahmen und Generationen von Besoffenen hinpinkelten.
     
    Das Hotel hatte über die Toppen geflaggt. Da war wohl wieder irgendwas angesagt – ein Pokerwettkampf, eine Hundezüchter-Konferenz, eine Rheumadecken-Verkaufsveranstaltung. Ich schloss den Truck ab und schlenderte an der Strandmauer entlang zum Hotel hinüber. Als ich die Straße überquerte, bog ein königsblauer Honda um die Ecke. Ich blieb stehen. Sie bremste quietschend, sprang aus ihrem Auto und flog mir an den Hals.
    Wir grinsten beide wie Honigkuchenpferde. Sie rückte mit diesem uralten Spruch heraus, ob ich in der Hosentasche einen Colt trage oder ob ich mich nur freue, sie zu sehen?
    “So ein Bart, meine Süße.”
    “So lang wie der, der ihn umrahmt?”
    “Nichts ist so lang wie der.”
    Sie knuffte mich und zweifelte mit zusammengekniffenen Brauen, hakte mich unter und drückte sich eng an mich. Also doch kein Colt.
     
    Wir kamen wieder mal nicht aus der Falle. Schlimm. Ich meine, ich bin ja ein gut

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