Geier (German Edition)
Stummelheck, während mir zwei riesige rote Leuchten einen Mordsschreck einjagten. Wie eine tauchende schwarze Ente sah das Ding aus, und ich kam ihm schnell näher.
Ich konnte unmöglich abbremsen, also riss ich das Lenkrad herum und sauste knapp am teuren Stuttgarter Blech vorbei. Im Vorbeifahren fiel mir auf, dass sich die drei Insassen wie choreografiert abstützten – aber der hintere hatte etwas in der Hand, das mir verdammt nach Pistole aussah. Schlecht zu sagen, bei der Geschwindigkeit. Ich war vorbei und trat vorsichtshalber mal aufs Gas, als ich einen Knall hörte. Im Rückspiegel sah ich den Mercedes, aus dessen Seitenfenster etwas bläulich Qualmendes auf mich gerichtet war.
Die Lebensfreude war verflogen, die Sonne wurde verflucht, die Ländlichkeit als bedrohlich empfunden. Ich trat aufs Bremspedal, riss den Jeep wieder herum, schleuderte in einen Feldweg zwischen zwei dicht begrünten Weinfeldern, und beschleunigte den Weg entlang. Keine Chance, an meinen Backpack zu kommen, der vorm Rücksitz verstaut war, zusammen mit meinem teuren Ballermann und den riesigen, wahnsinnslöcherreißenden Geschossen.
Hinter mir war erst mal Ruhe. Die waren bremsend an der Feldwegeinfahrt vorbeigeschliddert, aber der Fahrer hatte die paar Tonnen Auto schon im Rückwärtsgang und drehte quietschend in meine Richtung. Ich hatte das Gaspedal fest auf die dünne Blechplatte gedrückt, die mich von der vorbeirauschenden Erde trennte, und das Ding konnte einfach nicht schneller.
Im Rückspiegel staubte der Weg, und aus dem Staub tauchte, immer größer werdend, der Benz auf. Wie ein Schlachtschiff kam er daher, aus vollen Rohren an Steuerbord und Backbord feuernd.
Noch hundert Meter, und er fährt mir den Arsch ein. Also bremste ich bis fast zum Stillstand, schlug voll ein und bolzte vierradgetrieben ins Feld. Zum Glück pflanzen die Winzer ihre Reben in solchen Abständen, dass die Reihen maschinell gepflegt werden können.
Wo ein kleiner Traktor hinkam, quetschte sich der schmale Jeep auch hinein. Aber der Mercedes nicht. Der Fahrer hielt, zwei Mann hüpften aus dem Auto und ballerten auf mein fliehendes Autochen, das ich mit Mühe an den Metallpfählen vorbeisteuerte. Dazwischen rankten Weinpflanzen an vierfach übereinander gespannten Drähten.
Viel breiter durfte der Jeep nicht sein, sonst gäb´s Ärger. Und viel schneller konnte ich nicht fahren, sonst war er nicht mehr geradeaus zu halten. Die verdammten Traktoren hatten im nassen Frühjahr ordentlich tiefe Furchen hinterlassen, und in denen klapperte ich herum.
Neben meinem Kopf zischte es, und der Rückspiegel zerschmetterte. Ich spürte, wie Splitter meine Backe aufrissen. Durch die Furchen konnte man also doch erheblich schneller fahren, als ich angenommen hatte.
Sie waren zu weit weg, um mit Handfeuerwaffen gezielt zu schießen. Ich bog am Ende des Feldes auf den Serviceweg und brummte zum Hügel, der nackt und sommerbraun über der ganzen Weinpracht thronte. Als ich ihn erreichte, drehte ich mich um und sah die drei Typen vor ihrem Auto stehen und mir nachschauen. Ich winkte kurz und umfuhr den Hügel. Dahinter lag ein Ölfeld, das ich durchquerte und auf die schmale Spur zum Los Coches Mountain traf. Die wurde nur von vierradgetriebenen Fahrzeugen des Elektrizitätsunternehmens benutzt und führte neben der Überlandleitung durch die Sierra Madre Mountains.
Kann sein, dass ich aus dem Augenwinkel Moreno gesehen hatte, der sich auf dem Beifahrersitz am Armaturenbrett abstützte. Kann sein, aber ich war nicht sicher. Die Sonnenbrille hatte ich noch nie gesehen, den Fahrer hatte ich nur als Körper wahrgenommen. Ich tappte also im Dunklen. Dass mein Auto natürlich nun bekannt war wie ein bunter Hund, das war logisch. Aber momentan war das meine geringste Sorge. Zur Not konnte ich immer ein Auto mieten, und in einer Woche war ich eh ganz woanders. Kein Holz im Jeep, auf das man klopfen kann.
Ich fuhr über Suey Canyon und die winzigen Promillesträßchen dort hinten an kleinen Ranches vorbei, tuckerte über eine Wiese, weil ich dahinter den Freeway vermutete und wurde schwer enttäuscht, als eine hundert Meter hohe Felswand das kleine, gewundene Tal abschloss. Ich irrte eine Stunde im Niemandsland zwischen Süd- und Nordkalifornien herum, sah jede Menge Wild, aber keinen Ausweg, und musste endlich wieder über den Weg zurück, der mich hierhergeführt hatte. Da stellte sich heraus, dass ich eine Abzweigung zu früh abgebogen war. Die zweite
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