Geier (German Edition)
führte mich schnurstracks nach Nipomo und dort auf den Freeway.
Kurz vorher hielt ich an und inspizierte den Jeep. Rückspiegel und oberer Windschutzscheibenrahmen hatten etwas abbekommen, im hinteren Abschlussblech war ein Einschuss und der Reservereifen war platt, was nicht auffiel, denn er war auf die Heckklappe montiert und sah mit oder ohne Luft gleich aus, aber als ich ihn inspizierte, zeigte sich ein ordentliches Loch in der Reifenwand. Ansonsten schien das Auto in Ordnung zu sein. Die Apparate waren schließlich als Kriegswerkzeug konzipiert, also konnten sie wohl den einen oder anderen Einschuss aushalten.
Ich fuhr gemächlich in Richtung San Miguel, nachdem ich meine Sonnenbrille aufgesetzt, meine Skimütze über Stirn und Ohren gezogen und meine wattierte Jacke über Pullover und Weste gestreift hatte. Das Auto war auf einen Blick wiederzuerkennen, aber ich garantiert nicht.
In San Luis bog ich auf der Monterey Street ab und suchte einen Friseur. Den fand ich in der Buchon Street, stellte das Auto hinterm Haus ab und ging hinein.
„Ich will eine Glatze.“
Sie fand das ganz in Ordnung. Bis auf die Ohren. Aber ich sagte ihr, dass die mich nicht stören.
“Aber die stehen noch weiter ab, wenn ich Ihnen eine Glatze schneide.”
“Das stört mich auch nicht.”
Ich setzte mich, die Hübsche drückte ihre linke Brust auf meinen linken Oberarm, womit sie ihre unverschämten Preise wohl rechtfertigte, und legte los. Zehn Minuten später war ich glatt wie ein Kinderarsch. Kein Haar mehr drauf. Ich sagte ihr, dass sie auch meinen inzwischen wochenalten Bart wegmachen soll, was sie gern gegen Aufpreis tat. Der Spiegel zeigte einen indischen Bettelmönch in Jeans und Cowboyhemd. Mit gesunder Gesichtsbräune und leuchtend heller Kopfhaut.
Die Süße verscheuerte mir noch eine Baseballmütze. Überm Schirm stand Jesus Is Lord in goldenem Garn. Da würde sich Ignacio aber freuen!
Die vierundvierzig Dollar waren gut angelegt. Ich erkannte mich selbst nicht wieder.
39 Postamt, Julie und Misty
Ich hielt kurz in San Miguel, tauschte mein verschwitztes, stinkendes Zeug gegen frisches, holte die drei Pakete ab, die noch vor halb vier auf die Post mussten, und sagte Ignacio, dass ich vielleicht nicht vor Sonntagnachmittag wiederkäme. Denn ich hatte wieder mal dieses Gefühl im Bauch, und darauf verlasse ich mich inzwischen gern.
Ich fuhr also nach Salinas, ging zur Post und verschickte die drei Pakete mit den Tonaufnahmen und Cheries Videos auf DVD, womit die Sache endgültig nicht mehr aufzuhalten war. Wir hätten noch weglaufen können, aber nach dem Paket, das Rick am Vortag in Tijuana an die drei Drogencops aufgegeben hatte, nach diesen Hämmern, die auch am Montag ankommen würden, war der Weg zurück versperrt. Nur noch Frechheit würde uns weiterbringen. Weiterleben lassen. Wie man will.
Eines der Pakete war an Moreno gerichtet. Der würde hören, wie die drei Cops seine Ermordung planen. Und dass seine Gattin die Schwester des Killercops ist, das hat er auch nicht gewusst. Ich musste grinsen. Sie würde es natürlich empört leugnen. Ihr gutes Recht, denn sie war als Einzelkind aufgewachsen. Hat der Rick prima hingekriegt. Moreno jedenfalls würde sofort Schutzmaßnahmen ergreifen. Mal sehen, was für welche.
Das zweite Paket ging an Frau Moreno. Was sie wohl denkt, wenn sie hört, dass sie bald Besuch bekommt? Und wem sie den Besuch zu verdanken hat? Frauen und Männer altern gleichermaßen, aber Männer dürfen das, während Frauen immer jung bleiben müssen. Sie wird keinen Moment daran zweifeln, dass ihr Gatte sie schnell, billig und endgültig loswerden will.
Und Paket Nummer drei war eine Zusammenstellung aller Bänder, ein Sammelsurium verschiedener Aufnahmen, die Rick für die Behördenbosse clever gemischt hatte. Paket Nummer Drei war das Aus für die drei Drogencops. Denn was nicht auf den Bändern zu hören war, konnte bei den Geiern gefunden werden. Nur der Anstoß hatte gefehlt, die Beweise ihrer kriminellen Amtsführung.
Wer aufgrund der teils echten, teilweise hervorragend getürkten Bänder zu suchen begann, der wurde sofort fündig. Bankkonten, Lebensführung, Ungereimtheiten ihrer vergangenen Verhaftungen und ihrer Aussagen vor Gericht, all das würde sie an den Pranger stellen. Nur der Anstoß hatte gefehlt, und den lieferten wir.
Die stundenlange Bandkopie meiner Aufnahme vom Tod John McHughs zeigte in unkommentierter Deutlichkeit, wie die Cops
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