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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Dachgarten-Expresslift. Bei seiner Erbauung bot das Restaurant Aussicht über Las Vegas, aber heutzutage kann man das halbieren; Aussicht auf die mittleren Etagen des neuen Vegas, des Las Vegas der New-York-Skyline, des Eiffelturmes und des Stratosphere.
    Die betagten Kästen entlang der Fremont Street waren in den Fünfzigern imposant, erinnern aber seither an nichts so sehr wie an alternde Schönheiten. Und ich bin trotzdem ein großer Fan der verfallenden Spelunken. Weil sie das gewisse Las-Vegas-Etwas haben, die Stadt Bugsy Siegels und seiner Mafiakonsorten symbolisieren.
    Damals, als der Krieg vorüber war und die Kasinobesitzer unter sich sizilianisch sprachen, damals kam man nach Las Vegas um des Kribbelns willen, um hautnah The Mob zu erleben, um den nicht immer deutlich sichtbaren Graben zwischen Verderbtheit und Gutbürgerlichkeit auszuloten. Und man kam wegen der Light Show.
    Das Atombombentestgelände lag nur knappe achtzig Meilen nördlich der Stadt, und wenn wieder mal ein nächtlicher Atomtest angesagt war, stand die Fremont Street voller Gaffer. Sobald sich die Nacht blitzartig erhellte und der von innen her weißrot glühende Atompilz am Horizont in den Himmel stieg, galt der Abend als gelungen. Man staunte, solange es noch etwas zu sehen gab und ging dann wieder ins Kasino, mit frischem Mut und erneuter Spielleidenschaft.
    Die vermutlich einzige Atombomben-Miss der Welt wurde hier sogar gewählt, 1957, in einer vom Sands Hotel ausgeschriebenenen Miss-Atombombe-Wettbewerb. Licht lockt Leute – grelle Atomblitze lockten viele Leute.
     
    Durch das Restaurant gingen wir, zu den Damentoiletten, die hier noch Powder Rooms hießen. Davor stand eine ganze Reihe Münztelefone, und kein einziges war besetzt. Kein Wunder, wo inzwischen jeder ein Mobiltelefon mit sich herumschleppt. Und ruhig war´s – nur Geschirrklappern störte die Grabesruhe.
    „Ich setze mich drüben an die Tür“, deutete Winston auf das ferne Ende des Ganges. „Telefoniere du ruhig – ich höre nichts, aber ich gucke dir ein bisschen zu. Misty meinte, es sei vielleicht besser, wenn du nicht allein bist.“
    Ich nickte. „Kannst gern hierbleiben. Ist ja nichts, was keiner hören darf. Ich will nur sehen, wie es um mich steht.“ Offenbar war er eingeweiht, denn er klopfte mir die gewaltige Pranke auf die Schulter und zog los, zu den rosa bezogenen Plastiksitzbänken aus den frühen Sechzigern. Ich wählte die Nummer meines Schulfreundes, des Telefontechnikers Rick Cavanaugh.
    „Ja?“
    „Hey, Rick – ich bin´s.“ Ein Krachen, mehrere dumpfe Schläge und ein: „Ach, du mein dickes Ei“, von Ferne machten deutlich, dass Rickie den Hörer hatte fallen lassen.
    „Junge, ich bin´s wirklich. Gesund und munter. Nun sag schon was.“
    Er schluckte ein paarmal. Dann kam ein zaghaftes „Jon?“, gefolgt von einer Explosion angehaltener Luft, als ich lachte. „Jon – Mensch, Jon, das warst gar nicht du!“
    „Im Cadillac? Du merkst auch alles. Hör mal – bist du allein?“
    „Klar, bin ich. Niemand da. Warte mal“, sagte er und legte den Hörer auf den Tisch. Er meldete sich sofort wieder. „Habe das Tragbare holen müssen. Ich muss erst mal ein Bier aus dem Kühlschrank greifen, auf den Schreck.“
    „Mach mal. Und setzt dich dann mal hin und höre gut zu. Übrigens: Du als Fachmann würdest ja mitkriegen, wenn jemand mithört, oder?“
    „Nee, nicht so ohne Weiteres. Aber lass mich mal kurz etwas zwischenschalten – ich lege das Gespräch einen Augenblick auf die Computerleitung und melde mich gleich wieder.“
    Keine zwei Minuten später war er wieder da. „Okay, leg los. Mithören tut niemand, und wenn sich einer reinquetscht, dann leuchtet vor mir ein rotes Lämpchen auf. Also keine Bange.“
    Ich erzählte ihm kurz, was passiert war. Ziemlich wirr hörte sich alles an, und meine Gedanken hüpften auch recht kariert durch das Geschehen, aber er kriegte schon mit, was ich ihn wissen lassen wollte.
    „Eine Mordsgeschichte, mein Lieber. Die ich nie glauben würde, wenn nicht die Sache mit deinem Auto wäre. Und dein Radioboss fehlt auch noch immer, soweit ich weiß. Also, was nun? Kann ich dir irgendwie behilflich sein?“
    „Na ja, deswegen rufe ich ja an. Du lebst allein, Rick, stimmt´s? Keine Frau, keine Freundin? Keine Kinder, keine Küche, keinen Köter?“
    „Nee, nichts. Danielle hat mich schon vor fast vier Jahren sitzen lassen. Hab mich mehr um meine Computer gekümmert als um sie, hat sie mir

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