Geisel der Leidenschaft
Würde er zu ihr zurückkehren? Darauf hatte sie vergeblich gewartet. Erst im Morgengrauen war sie eingeschlummert.
»Bridie ...«
Aber die Zofe war inzwischen aus dem Zimmer geeilt und hatte die Tür offen stehen lassen. Eleanor erhob sich und wollte ihr folgen.
Doch da kehrte Bridie zurück, die Wangen gerötet, mit strahlenden Augen. »Oh, Mylady! Bald findet eine Hochzeit statt!«
Ehe Eleanor fragen konnte, was das bedeutete, war ihre Zofe schon wieder verschwunden.
Kalter Zorn stieg in Eleanor auf. Also plante er sie zu heiraten, ohne sie zu fragen? Wenn sie sich auch wochenlang gewünscht hatte, sie könnte seine Frau werden - jetzt war der schöne Traum zerstört. Wie sollte sie einer hoffnungsvollen Zukunft entgegenblicken, solange man sie für die Mörderin ihres Gemahls hielt?
Der Herr dieser Festung! Ihr Herr war er nicht!
»Wo ist er, Bridie?«, fragte sie.
»Im anderen Zimmer.«
»Und wo kann ich's finden?«
»Gleich hinter dem Treppenabsatz.«
Erbost eilte Eleanor durch den Flur. Vor Brendans Tür hob sie eine Hand, dann besann sie sich anders. Zweifellos würde er hineinstürmen, ohne anzuklopfen.
Und so stieß sie die Tür auf.
Brendan saß an einem Schreibtisch, Eric und Collum standen neben ihm und alle drei beugten sich über Baupläne.
Verärgert über die Störung, blickte er auf. Die anderen starrten Eleanor erwartungsvoll an, doch mit einem neugierigen Publikum hatte sie nicht gerechnet. Sie wollte allein mit Brendan reden.
»Kann ich dich sprechen?«
»Ein andermal«, erwiderte er und lehnte sich gelassen zurück. »Wie du siehst, bin ich beschäftigt.«
»Dann will ich's kurz machen. Ich werde dich nicht heiraten.«
In seiner Wange zuckte ein Muskel, der seine Wut verriet. Aber er beherrschte sich und entgegnete in ruhigem Ton: »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dir keinen Antrag gemacht.«
»Soeben sagte Bridie ...«
»Heute Nachmittag wird Vater Duff deine Zofe und
Lars trauen, in der kleinen Kirche unten am Hang«, erklärte er und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Baupläne.
Noch nie in ihrem Leben war sie so gedemütigt worden. Am liebsten hätte sie sich mit beiden Fäusten auf Brendan gestürzt. Diesen Impuls musste sie vor Erics und Collums Augen natürlich bezähmen. Mühsam klammerte sie sich an den letzten Rest ihres Stolzes. »Wie nett!«, entgegnete sie würdevoll und eilte aus dem Zimmer, den Kopf hoch erhoben.
Im Flur traf sie Bridie, die immer noch die Sachen ihrer Herrin in Brendans Suite trug. »Also wirst du heiraten!«
»Aye, Mylady! Ist das nicht wundervoll?« In Bridies Augen leuchtete tiefes Glück, und Eleanor brachte es nicht übers Herz, ihr wegen der unvollständigen Erklärung Vorwürfe zu machen.
»O ja, ich freue mich so für dich.«
»Das wusste ich, Lady Eleanor. Könnte ich mich doch auch für Euch freuen ...«
»Was willst du anziehen? Suchen wir eins von meinen Kleidern aus, ein besonders schönes.«
»Das da sind die letzten, die ich hinüberschaffe.«
Zögernd schaute Eleanor über die Schulter. In Brendans Zimmer hatte sie keine Tür gesehen, die in einen anderen Raum führen mochte. »Trag sie zurück.«
»Sir Brendan sagte ...«
»Wenn er auch ein allseits bewunderter Held ist - er hat nicht zu entscheiden, wo ich schlafe. Bring die Sachen zurück. Und dann hol die anderen, die du weggebracht hast.«
»Bitte, Mylady ...«
»Nun geh schon!«
Endlich gehorchte Bridie, und Eleanor folgte ihr in das Zimmer, das sie seit ihrer Ankunft bewohnte. Als
sie sich an den Schreibtisch vor dem Kamin setzte, versuchte sie Brendan und die Erniedrigung zu vergessen, die sie selbst heraufbeschworen hatte.
Ihre Wangen brannten immer noch und ihr Herz schlug viel zu schnell. Trotzdem musste sie sich wieder auf ihren Brief an Alfred konzentrieren. Mit einiger Mühe gelang es ihr, ein paar Zeilen zu schreiben.
Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und Eleanor nahm an, die Zofe wäre mit einem Teil der restlichen Kleider zurückgekehrt. »Such dir was Hübsches aus, Bridie!«, befahl sie, ohne aufzublicken. »Das ist dein großer Tag.« Im nächsten Absatz ihres Briefs erwähnte sie Isobel und warnte Alfred vor einer mörderischen Person auf Clarin, ohne seine Schwägerin ausdrücklich zu beschuldigen. Irritiert von der Stille im Zimmer, hob sie schließlich den Kopf.
Bridie war nicht zurückgekommen. Stattdessen lehnte Brendan an der geschlossenen Tür, die Arme vor der Brust verschränkt, und wartete. Verwirrt sprang
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