Geisel der Leidenschaft
Bruce einen Brief von dir überbringen soll, war er ganz begeistert«, berichtete Eric. »Er sagt, Bruce würde dich bewundern, ebenso wie unseren Anführer Wallace, der stets bereit sei, alles für seine Ideale zu opfern.«
»Wenn Bruce ihn so bewundert, sollte er für ihn kämpfen.«
Seufzend zuckte Eric die Schultern. »Jeder Mann muss tun, was er für richtig hält. Das Leben ist ein Faden, um eine Spule gewickelt. Und wo der Faden endet, wartet der Tod.«
»Eine norwegische Legende, nicht wahr? Daran glaubst du doch nicht! Jeder Mensch bestimmt sein Schicksal selbst.«
»Tatsächlich? Ist nicht alles, was uns widerfährt, unsere unausweichliche Bestimmung?«
»Wie philosophisch du heute bist...«
»Du hast mich nicht gefragt, warum Bruce dich bewundert.«
»Also gut. Warum?«
»Weil du unerschütterlich auf deinem Standpunkt beharrst.«
»Wieso glaubt er das?«
»Nun, er weiß, wie sehr du ihn verachtest.« Als Brendan verwirrt die Stirn runzelte, grinste Eric. »Du hältst Wallace stets die Treue und kämpfst für ein Ideal. Wahrscheinlich wünscht sich Robert de Bruce manchmal, er müsste nicht auf das Vermögen seiner Familie und seine Stellung achten. Er beneidet die Männer, die sich für größere Dinge einsetzen, die keine Schlacht scheuen und den Respekt ihres Volks verdienen. Sicher wäre er glücklich, wenn man ihn so loben und preisen würde wie Wallace.«
»Dann sollte er sich gegen den englischen König stellen.«
»Vielleicht wird er's eines Tages tun. Wie du sagst, die Menschen bestimmen ihr Schicksal selbst.« Eric schlug seinem Vetter auf die Schulter und ging zum Stall.
Eine Zeit lang betrachtete Brendan die Festungsmauern, schätzte ihre Stärken und Schwächen ein. Dann kehrte er nachdenklich in die Halle zurück.
Eleanor saß in ihrem Zimmer vor dem Kaminfeuer und schrieb einen Brief an Alfred. Hoffentlich würde sie Mittel und Wege finden, um das Schreiben nach Clarin zu schicken. So detailliert wie möglich schilderte sie die Ereignisse und erklärte, Miles Fitzgerald habe zweifellos beabsichtigt, ihr zu schaden oder sie sogar zu töten. Dann versprach sie, möglichst bald heimzukehren. In der Zwischenzeit würde er Clarin so gut wie eh und je verwalten. Zum Glück sei Corbin bei ihr, fügte sie hinzu, seiner Kusine ebenso treu ergeben wie dem englischen Vaterland. >Herzliche Grüße an Isobel.< Nur zögernd brachte sie diese Worte zu Papier.
Sicher hatte sich Isobel in irgendeiner Weise schuldig gemacht, aber wohl kaum mit Fitzgerald unter einer Decke gesteckt. Trotzdem glaubte Eleanor, sie sollte Alfred vor der Frau warnen. Aber wie sollte sie ihrer Sorge Ausdruck verleihen? Immerhin musste sie befürchten, der Brief könnte in die falschen Hände geraten.
Als es an der Tür klopfte, stand sie auf und ließ Bridie eintreten. Lächelnd nickte die Zofe ihrer Herrin zu, dann suchte sie Eleanors Garderobe zusammen. Für die Reise nach London hatte sie genug eingepackt.
»Was machst du da, Bridie?«
»Ich muss Eure Sachen ins andere Zimmer bringen, Mylady.«
»In welches Zimmer?«
»Weiter unten im Flur.«
»Und warum soll ich übersiedeln?«
»Das hat der Laird dieser Festung entschieden.«
»Der Laird dieser Festung?«
»Sir Brendan.«
»Was?«, flüsterte Eleanor verblüfft. »Sir Brendan ist der Herr des Schlosses?«
»Aye.«
»Und wann wurde das entschieden?«
»Heute Morgen. Habt Ihr's nicht gehört, Mylady? Zwischen den Schotten und den Engländern wurde ein Waffenstillstand geschlossen - auf Wunsch des französischen Königs.«
»Nein, davon weiß ich nichts«, murmelte Eleanor. Oft genug hatte man einen Waffenstillstand vereinbart, ohne den Krieg zu beenden. »Ich habe mein Zimmer heute nicht verlassen.«
Und niemand war zu ihr gekommen - niemand außer einer Dienerin, die ihr Speise und Wasser gebracht, höflich geknickst und wenig gesprochen hatte.
Weder Brendan noch Corbin hatten nach ihr gesehen. Nachdem Brendan davongegangen war, hatte sie stundenlang keinen Schlaf gefunden, den Stimmen der fröhlichen Zecher gelauscht und ihren Gedanken nachgehangen. Bei ihm zu sein ... Ja, sie liebte ihn, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr Leben mit ihm zu teilen. Aber er würde seinen Kampf um die Freiheit niemals aufgeben - und eines Tages auf irgendeinem Schlachtfeld sterben.
Und wie konnte sie bei ihm bleiben, in Schottland -während sie in England für eine Mörderin gehalten wurde?
Allmählich war das Gelächter in der Halle verstummt.
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