Geisel der Leidenschaft
einzutreten.
Leise schloss er die Tür hinter sich. Sie stand am Fenster, wunderschön in einem blauen Kleid. Seit sie in diesem Haus wohnte, trug sie keine Schleier, keinen Kopfputz. Die Sonne warf ein goldenes Licht auf ihr Haar, das am Rücken hinabhing, und der Anblick ihres schönen Profils nahm ihm den Atem. Nur mühsam unterdrückte er ein Zittern. Warum konnte eine einzige Nacht einen hartgesottenen Krieger so erstaunlich verändern?
Obwohl sie seine Schritte hören musste, drehte sie sich nicht um.
»Ich habe dich gewarnt«, begann er und seine Stimme klang schärfer als beabsichtigt.
Endlich schaute sie ihn an. »Ich bereue nichts.«
»Inzwischen wurde der König verständigt.«
»Das weiß ich.«
»Bald wirst du dein Ziel erreichen.«
»Auch das weiß ich.«
»Gott sei Dank! Ich hatte schon befürchtet, du würdest noch einmal aus dem Fenster klettern.«
»Nein.« Sie lächelte schwach. »Keine Reue ... Was deine Freunde hinter meinem Rücken tuscheln, beunruhigt mich.«
Er ging zum Kamin und gab vor, seine Hände zu wärmen.
»Wenn du nicht mit mir reden willst, solltest du gehen, Brendan.«
»Ah, die gebieterische Stimme der Countess, der vornehmen Dame.« Er beugte sich zu ihr. »Sprich nicht in diesem Ton mit mir!«
»Nachdem du mir so viel angetan hast, spielt mein Tonfall keine Rolle.«
»Warst du so unglücklich?«
Das Blut stieg ihr in die Wangen, aber sie hielt seinem Blick stand.
»Keine Bange, ich werde mit dir reden, Eleanor. Und mit dem Comte de Lacville.«
»Was?«, würgte sie hervor.
»De Longueville erhielt in Liverpool den Auftrag, deinem Schiff zu folgen. Dafür wurde der Pirat bezahlt.«
»Wie bitte?«
»Ich habe es dir verschwiegen, weil ich glaubte, die Geschichte wäre stark übertrieben oder gar eine Lüge. Aber da du de Lacville heiraten und nach Clarin zurückkehren wirst, muss ich dich auf die Gefahren hin-weisen, die dir drohen. Du hast Feinde.«
»Warum sollte de Longueville mir folgen?«
»Damit du verschwindest.«
»Einfach lächerlich!«
»De Longueville hatte keinen Grund, uns zu belügen.«
»Natürlich habe ich Feinde - nämlich die Schotten! Die Schurken, die unschuldige Menschen niedermetzeln, die ich bekämpft habe ...«
»Überleg doch! Warum sollte de Longueville lügen?«
»Er ist ein Verbrecher, ein Pirat ...«
»Kein Mörder.«
»Oh! Wollte er mich trotzdem ermorden?«
»Nein, Eleanor. Wahrscheinlich wusste er gar nicht, wie er sich verhalten sollte. Als Freibeuter - und Geschäftsmann - hätte er vermutlich beschlossen, dich deinem Verlobten zu übergeben und auf beiden Seiten zu kassieren. Oder er hätte dich auf dem Sklavenmarkt verkauft. Für eine Frau mit rotgoldenen Haaren wird in der muslimischen Welt ein Vermögen bezahlt.«
Ungläubig starrte sie ihn an, dann eilte sie zur Tür und riss sie auf. »Geh, Brendan!«
An den Kaminsims gelehnt, verschränkte er die Arme vor der Brust. »Du wolltest die Wahrheit wissen und du hast sie erfahren. Deine eigenen Verwandten bedrohen dich.«
»Nein, das verstehst du nicht. Würde ich nicht heiraten, wäre ich keine Gefahr für meine Verwandten. Und wenn ich kinderlos sterbe, geht das Erbe an ...«
»Zweifellos hätte der König einen Ehemann für dich gefunden. Eine junge, bildschöne Countess, eine begehrenswerte Erbin ... Mit dieser reichen Beute hätte Edward einen seiner verdienstvollen Ritter belohnt. Aber er würde dich niemals mit dem Franzosen de Lacville vermählen!«
»Meine beiden Vettern sind ehrenwerte Männer, dem König treu ergeben. Wie kannst du sie beschuldigen?«
»Weil der Verdacht nahe liegt.«
»Würdest du mich endlich allein lassen?«
Langsam ging er zu Eleanor und blieb so dicht vor ihr stehen, dass er sie fast berührte. Aber nicht ganz. Neben der offenen Tür presste sie sich an die Wand.
»Natürlich werde ich den Comte de Lacville warnen, Lady.«
»Er wird dich auslachen.«
»Tatsächlich?«
»Er kennt meine Familie.«
»Aber er ist nicht dumm.« Als sie den Kopf senkte, hob er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Viel Zeit haben wir nicht mehr.«
»Verdammt, du bist ein Lügner, ein Intrigant, ein Ungeheuer - ein Schotte!«
»Letzteres trifft eindeutig zu.«
»Noch nie zuvor habe ich einen so abscheulichen Mann gekannt ...«
»Tut mir Leid. Ich bin so, wie ich bin. Das kann ich nicht ändern. Und ich will es auch gar nicht. Dich möchte ich genauso wenig ändern, weil du wunderschön bist. Einfach vollkommen.«
»Oh, ich hasse dich
Weitere Kostenlose Bücher