Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co
dieses Vorgehen entdeckte er unter anderem, dass die Dicke der sechs Zellschichten mit dem Körpergewicht der unterschiedlichen Tiere korrespondierte und nicht von der Ordnung abhing, zu der sie gehörten. Mit anderen Worten, die Dicke der Zellschichten einer Katze glich eher der eines Kaninchens als der einer großen Raubkatze wie dem Löwen.
Auf Grundlage der Zählungen und Messungen in den sechs Schichten präsentierte Brodmann im zweiten Teil seines Buches die topographischen Karten des Cortex. Maritim gesprochen, begab sich Brodmann auf Küstenschifffahrt; die Karten bezogen sich auf die Oberfläche, die beim Menschen an keiner Stelle dicker als drei Millimeter war. Die dahinterliegenden tieferen Gehirnstrukturen waren dabei völlig unwichtig. Ehe er die Karten präsentierte, machte er noch einige Bemerkungen über die Komplikationen und Grenzen der Kartographie. Seine Gehirnkarten, führte er aus, seien schematische Repräsentationen und dabei seien bestimmte Verzerrungen unvermeidlich. Wie sollten Felder und Areale gezeichnet werden, deren Grenzen in den Tiefen der Windungen verborgen lagen? Wie könne man mehr oder weniger kugelförmige Gebiete auf der zweidimensionalen Kartenfläche wiedergeben? Wie solle man deutliche Grenzen zwischen Gehirnarealen eintragen, die einen diffusen Übergang hatten ? In der Kartographie seien das alles, so Brodmann weiter, bekannte Probleme. Verzerrungen gebe es bei Karten immer, doch er habe bei seinen Karten die Relation der Gebiete im Verhältnis zueinander gewahrt, und letztendlich stelle eine Karte ja auch nicht mehr als ein Hilfsmittel dar, mit dem man sich orientieren könne.
Die Karten von Mensch und Igel hatte Brodmann bereits fertiggestellt, ebenso wie viele Arten dazwischen: unterschiedliche Affen, den Flughund, den Wickelbär und das Grundeichhörnchen. Brodmann hatte die Gehirne dieser Tiere aufgrund ihrer Streuung über die wichtigste Säugetierordnung ausgewählt. Alles in allem war es ein äußerst zeitraubendes Projekt gewesen. Auch eine Kartierung, die sich auf die Gehirnoberfläche beschränkte, erforderte Hunderte von Schnitten - und jeder musste einzeln bearbeitet und analysiert werden. Die beiden Karten des menschlichen Gehirns, Seitenansichten der linken Hemisphäre (oben) und der Innenseite der rechten Hemisphäre (unten), gehören zu den meist reproduzierten Abbildungen in der Geschichte der Neurologie.
Die Zahlen bezeichnen die areae, die schließlich zu den >Brod-mann-Feldern< oder >Brodmann-Arealen< werden sollten. Brodmann nummerierte sie von 1 bis 47, wies aber nicht jeder Zahl ein Feld zu. Die Zahlen 12 bis 16 ließ er vorläufig noch unbesetzt, weil
er damit rechnete, dass das Feld 11 später noch unterteilt werden konnte. Auf einer Detailkarte führte er noch ein Feld 52 auf, was zu dem Missverständnis führte, Brodmann habe den Cortex in 52 Areale unterteilt. Bei jedem Feld erläuterte er die Zellstruktur, die Art der Grenzen, die Form und Lage sowie die Verwandtschaft mit anderen Feldern. Brodmann stellte fast, dass manche Gebiete, die bereits nach Studien von Verletzungen oder aufgrund physiologischer Eigenschaften identifiziert worden waren, auch hinsichtlich ihrer Zytoarchitektur eine
Brodmanns Karte Einheit bildeten, wie das Broca-Zen-
des menschlichen Gehirns. trum das mk seinem Areal 44 über _ einstimmte, oder das Wernicke-Zentrum (BA 22). Bei der Beschreibung der Lage der Areale bediente sich Brodmann teilweise seiner eigenen Topographie (»Feld 19 umschließt die Area occipi-talis (18) ringförmig.«), teilweise noch traditioneller Bezeichnungen, wenn er zum Beispiel die Lage in Relation zur Sylvius-Fur-che bestimmte.
Weiter hinten in Brodmanns Atlas finden sich die Karten von Affen und niederen Tierarten. In ihren Gehirnen lassen sich dieselben globalen Felder erkennen, doch die Anzahl der Areale nimmt immer weiter ab. Die Felder 36, 37 und 44 sowie noch einige andere Felder des menschlichen Gehirns finden bei Affen keine Entsprechung. Um den Unterschied zur Topographie bei Affen zu demonstrieren, fügt Brodmann hier Detailansichten des menschlichen Gehirns ein.
An anderer Stelle geht Brodmann ausführlicher auf den Unterschied zwischen Menschen- und Affengehirnen ein. Der globale Bau, so erklärte er, mochte zwar derselbe sein, doch die Cortexoberfläche sei beim Menschen durch die häufigeren und tieferen Windungen um vieles größer. Das Gehirn des Menschen messe etwa 200 000 mm 2 , was einer Fläche von 40 mal 50 cm
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