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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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Spezifizierung jener neurologischen Prozesse hinzu, die für die Entstehung dieses Konflikts verantwortlich sind. Die verdächtige Hemisphäre ist die rechte, und das passt zu ihrer Theorie: Die rechte Hemisphäre hat den größeren Anteil an der Gesichtserkennung als die linke. 31 Das letzte Wort hat jedoch auch diese Theorie nicht - so elegant sie auch sein mag. Es ist schon länger bekannt, dass sich der Hautwiderstand bei manchen psychiatrischen Störungen beim Anblick bekannter Gesichter nicht ändert, obwohl diese Patienten keine capgrasartigen Symptome aufweisen. Manchmal ist der Auslöser für capgrasartige Phänome eine besonders starke psychologische Krise, wie eine Scheidung oder ein Todesfall in der Familie. Und vor allem: Nach dem Artikel von Ellis und Young tauchten ein paar unangenehme, kleine Befunde auf, die mit ihrer Theorie nicht gut zu vereinbaren waren. Der brasilianische Arzt Dalgalarrondo und seine Kollegen berichteten 2002 von dem Fall einer sechsundzwanzigjährigen blinden Capgras-Patientin. 32 Ihr Mann war durch einen Doppelgänger ersetzt worden. Sie sei darauf nicht hereingefallen, meinte sie, denn ihr Mann sei etwas dicker und rieche auch anders. Ein Jahr später beschrieben der deutsche Neurologe Dietl und seine Kollegen den Fall einer Capgras-Patientin, die glaubte, ihre nach Amerika emigrierte Tochter sei durch eine Doppelgängerin ersetzt worden. 33 Sie schloss das aus Telefongesprächen, denn sie hatte sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Offensichtlich geht es bei dem Capgras-Syndrom um noch mehr - oder um etwas anderes - als um eine Störung der visuellen Gesichtserkennung.
    Der Namensgeber dieses nach achtzig Jahren unverändert rätselhaften Syndroms hatte sich in den ersten Jahren des Zweiten
    Capgras (in der Mitte) als Arzt und Direktor der Anstalt Saint-Anne.

    Weltkriegs von Sainte-Anne verabschiedet. Wenig später sollte er zurückkehren, diesmal als Patient: Gegen Ende seines Lebens verlor er seine geistigen Fähigkeiten. Joseph Capgras starb 1950 in der Einrichtung, die er so lange geleitet hatte.

KLEINE PROFESSOREN DAS ASPERGER-SYNDROM
    Für Roely und Ernest
    C. B. ist ein fünfzehnjähriger Junge mit einer langen Geschichte von Verhaltensauffälligkeiten. Obwohl seine Intelligenz normal und auf manchen Gebieten wie mathematischem Verständnis und räumlichen Puzzles weit überdurchschnittlich ist, besucht er eine Schule für Lernbehinderte. Sein größtes Handikap scheint zu sein, dass er die Emotionen und Absichten anderer Menschen nicht erkennt. Bei einem Test zur Interpretation von Emotionen anhand der Mimik schneidet er extrem niedrig ab. Die Gesichtsausdrücke für >froh< und >traurig< kann er noch erkennen, aber nicht für >be-treten< oder >überrascht<. Seine Unfähigkeit, Emotionen zu >lesen<, bringt ihn regelmäßig mit anderen Kindern in Konflikt. Auf dem Schulhof hält er sich lieber in der Nähe von Erwachsenen auf.
    Sein Wissen über soziale Konventionen ist sehr begrenzt und scheint eher explizit gelernt zu sein als auf natürliche Weise erworben. Seine Interessen sind monoman. Er weiß alle Primzahlen bis 7057 und hat alle Länder der Welt mit ihren Hauptstädten auswendig gelernt. Sein Sprachgebrauch ist ausgebrochen wörtlich und konkret. Metaphern versteht er nicht, das Gleiche gilt für Humor.
    C. B.s Verhalten ist in höchstem Maße ritualisiert. Er isst nur, wenn sich die unterschiedlichen Sorten Nahrung auf seinem Teller nicht berühren. Farben haben einen unverkennbaren Gefühlswert: Rot ist gut, Gelb und Braun sind schlecht. Braune Gerichte isst er nicht. Seine Umgebung hält er am liebsten konstant: Möbel schiebt er wieder auf ihren angestammten Platz. Er lässt sich nicht gern berühren. Wenn seine Eltern mit ihm kuscheln wollen, strecken sie eine Hand aus und C. B. berührt ihre Fingerspitzen mit seinen eigenen.
    Auffällig ist, dass C. B. seine eigenen Geistesprozesse konsequent in mechanischen Begriffen beschreibt. Sein Gedächtnis vergleicht er mit einem Videorecorder, das Reproduzieren mit rewind, play und fast forward. Wenn er an einen Ort kommt, an dem er noch nicht gewesen ist, und er zu viele neue Informationen verarbeiten muss, fühlt er sich wie ein abstürzender Computer. Dann verschließt er sich, presst die Hände auf die Ohren und beginnt leise zu jammern. Er selbst sieht das als Programmabbruch des Computers mit control-alt-delete.
    Über die Geburt sind keine Besonderheiten bekannt. Seine Eltern verfügen über eine

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