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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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für die Entwicklung des Kindes, sowie mit der Bindungstheorie John Bowlbys, der Müttern, denen es aufgrund ihrer Gefühlsarmut nicht gelang, eine adäquate Bindung zu ihrem Neugeborenen zu entwickeln, schlimme Katastrophen voraussagte. Der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim schrieb in The empty Fortress (deutsch erschienen als Die Geburt des Selbst), dass der »beschleunigende Faktor bei infantilem Autismus im Wunsch des Elternteils besteht, das Kind möge nicht existieren«. 35 Dabei hatte er vor allem die Mutter vor Augen: Durch ihre abwehrenden, negativen oder sogar nur ihre ambivalenten Reaktionen auf eine Annäherung würde sich das Kind enttäuscht in eine extreme Isolation zurückziehen. Autistische Kinder erinnerten Bettelheim - der vor dem Krieg ein Jahr in Buchenwald und Dachau gesessen hatte - an Gefangene in einem Konzentrationslager. Dort hatte er >Muselmän-ner< gesehen, Gefangene, die alle Hoffnung aufgegeben hatten und vollkommen in sich gekehrt, wie lebende Tote, durch das Lager irrten. Autistische Kinder zeigten in ihrem Verhalten dieselbe geistige Abwesenheit. Auch der merkwürdige Blick, der Asperger schon so fasziniert hatte, ähnelte dem der Gefangenen. Einerseits musste man die Gefahr scharf im Auge behalten und durfte andererseits keinen Augenkontakt mit den Wärtern her-stellen. Das verursachte den abgewandten, scheinbar leeren Blick der Kinder. Bettelheim, einen Kollegen zitierend: »Das Kind kann hören und sehen, ohne freilich zuzuhören und zuzuschauen.« 36 Das war eine Perspektive, bei der den Müttern autistischer Kinder vermutlich der Mut sank. 1960 zeichnete das Time Magazine aus dem Munde Kanners auf, dass Mütter autistischer Kinder gerade genug auftauten, um ein Kind zu empfangen. Die Therapie, die hieraus zu folgen schien, richtete sich auf die Befreiung des Kindes aus der Isolation, in die es durch Zutun seiner eisigen, oft akademisch gebildeten Mutter geraten war.
    Psychiatriehistoriker haben dokumentiert, inwiefern diese Form von >mother blaming< auch in Theorien über die Entstehung von Depressionen oder Schizophrenie eine Rolle spielte und nicht losgelöst von der zunehmenden Unabhängigkeit von Frauen gesehen werden kann, von ihrem Zugang zu besserer Ausbildung und ihrem Einzug in traditionelle Männerberufe. 37 1977 erschienen die Ergebnisse von Studien über autistische Zwillinge, die zeigten, dass Autismus genetisch bedingt ist und nicht erst nach der Geburt entsteht. Dass man in den Fünfzigerjahren am Scheideweg die Kannersche Richtung eingeschlagen hatte und nicht die von Asperger, hatte viel Kummer, Schuldgefühle und Selbstvorwürfe zur Folge.
    Welcher Zusammenhang nun tatsächlich zwischen Autismus und dem intellektuellen Niveau der Eltern besteht, ist noch immer umstritten. Manche glauben, es sei ein Scheinzusammenhang: höher ausgebildete Eltern fänden leichter den Weg zu professioneller Hilfe und seien dadurch überdurchschnittlich in den Statistiken vertreten. Andere sind der Ansicht, autistische Züge prädisponierten für intellektuelle Berufe. Kürzlich wurde der Gedanke geäußert, der hohe Anteil von Kindern mit Asperger bei Eltern, die im Silicon Valley arbeiten, hänge mit dem zum Autismus neigenden Profil des >nerd< zusammen, der nicht umsonst jemand sei, der sich in die Abstraktion virtueller Welten zurückziehe. 38 Dieses Leiden ist lokal unter dem Namen >Geek Syndrome<, Idioten-Syn-drom, bekannt.
    THEORY OF MIND
    Der Gedanke, Autismus beruhe auf einer schweren Kontaktstörung, wurde in den Achtzigerjahren durch eine Theorie gestützt, die aus einer Kombination von Entwicklungspsychologie und Philosophie inspiriert war. Der Kern des Defekts sollte im Unvermögen liegen, die Welt aus dem Erleben des Anderen zu sehen. Ein Autist habe, wie der britische Psychologe Simon Baron-Cohen 1985 formulierte, keine theory of mind., kein Bewusstsein des Geisteslebens anderer, vielleicht auch, weil er ebenso wenig Zugang zu seinem eigenen habe. 39 Baron-Cohen fragte sich daher, ob Autisten nicht eigentlich Behavioristen seien, die ohne Rücksicht auf Spekulationen darüber, welche Gefühle und Absichten andere haben, schlichtweg feststellten, welches Verhalten auf welches Verhalten folge. 40
    In einer Reihe relativ einfacher Experimente zeigte er, dass es für autistische Kinder schwierig ist, mit mentaler Repräsentanz von Objekten zu arbeiten. Normale Kinder können schon sehr früh zwischen den Eigenschaften echter Kekse und erinnerter, fantasierter oder

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