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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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anscheinend dem Entdecker des >Broca-Zentrums< erging? Fragen wie diese führen ins Herz des Wissenschaftsbetriebes. Eponyme sind Ehrenerweis und Kampfarena in einem. Sie sind die Stätte, an der manövriert und manipuliert wird, wo Macht und Autorität zur Diskussion stehen, wo Streit geschlichtet wird über die Frage, was als wissenschaftlicher Beweis zählt, wo Entscheidungen über Klassifikationen und Einteilungen fallen. Der Forscher, der an der Frage interessiert sei, wie Gehirn und Geist >wirk-lich< funktionieren, schrieb Anne Harrington, Historikerin der Neurologie, sollte dazu ermutigt werden, auch einmal über die Frage nachzudenken, wie Wissenschaft >wirklich< funktioniere. 3 Eponyme sind der Ort, an dem sich diese beiden Fragen überschneiden.
    Eponyme also. Aber warum gerade diese? Ich bin hauptsächlich meiner Neugier gefolgt, aber so ganz willkürlich ist das Ergebnis nun auch wieder nicht. Es wurde für historische, geographische und disziplinäre Repräsentativität gesorgt. Gilles de la Tourette, Capgras und Clerambault vergegenwärtigen die französische Psychiatrie, die auf Patientendemonstrationen ausgerichtet war. Capgras beschrieb ein Syndrom, bei dem der Patient in dem Wahn lebt, seine Liebsten - Gattin, Kinder, Freunde - seien heimlich durch Doppelgänger ersetzt worden. Beim Syndrom von Clerambault ist die Patientin - meist handelt es sich um eine Frau -davon überzeugt, dass jemand in sie verliebt ist. Diese drei Ärzte führten ihre Forschungen in den psychiatrischen Anstalten durch, in denen sie arbeiteten. Capgras und Clerambault veröffentlichten ihre Ergebnisse in Form einer klinischen Lehrstunde, eine Art des Austauschs, der in Frankreich hohes Ansehen genoss. Alzheimer und Brodmann (der eine Kartographie des Gehirns erstellte) stammten aus der deutschen Tradition der neuropathologischen Forschung. Sie verrichteten ihre Arbeit in einem Labor, ihr wichtigstes Instrument war das Mikroskop. Alzheimer machte mit großer Hingabe seine Runden als Arzt einer psychiatrischen Anstalt, glaubte aber, dass er für seine Patienten am meisten ab dem Moment tun konnte, an dem ihr Gehirn für die mikroskopische Untersuchung zur Verfügung stand.
    Repräsentativität hinsichtlich der Disziplinen ist schon deutlich schwieriger. Viele Krankheiten, Syndrome, Störungen und Erkrankungen haben historisch gesprochen wechselnde Positionen zwischen dem eingenommen, was heute >Neurologie< und >Psychiatrie< heißt: zwei Disziplinen, die bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts als ungeteilte Wissenschaft ausgeübt wurden. James Parkinson, ein Hausarzt in einem der ärmsten Viertel Londons, hatte keine Ahnung von der Ursache der >shaking palsy<, die er 1817 beschrieb, vermutete jedoch, dass irgendetwas mit dem Gehirn seiner Patienten nicht stimmte. Aber Charcot, der Pariser Psychiater, der die Krankheit 1876 nach Parkinson nannte, war davon überzeugt, dass die Ursache auch bei psychischen Faktoren liegen konnte, wie etwa heftigem Erschrecken oder zu starker emotionaler Belastung. Die Parkinson-Krankheit rückte so in Richtung der Psychiatrie. Heutzutage hält man die Degeneration eines kleinen Hirngebiets, das den Neurotransmitter Dopamin produziert, für die Ursache von Parkinson, und damit ist die Krankheit wieder in der Neurologie angekommen. Diese Perspektivwechsel sind eher die Regel als die Ausnahme. Das Tou-rette-Syndrom hat nie etwas anderes getan, als unruhig zwischen Neurologie und Psychiatrie hin- und herzuspringen. Das Capgras-Syndrom wurde lange Zeit in psychoanalytischen Begriffen gedeutet, in den vergangenen zwanzig Jahren jedoch in die neurologische Richtung geschoben. Beim Asperger-Syndrom, einer Störung aus dem Autismus-Spektrum, ist noch immer unklar, welchen Anteil genau neurologische Faktoren haben.
    Die Entscheidung für Eponyme verlagert den Schwerpunkt der Auswahl fast automatisch in das neunzehnte Jahrhundert. Was das bedeutet, lässt sich an den Porträts in diesem Buch erkennen. Bei aller Verschiedenheit ist den Namensgebern gemein, dass sie sich auf Fallstudien und Krankengeschichten stützen. Sie sind damit Vertreter eines Wissenschaftsstils, der seit einem halben Jahrhundert verschwunden ist. In Krankengeschichten liegen Pflege und Behandlung, Erleben und Forschung noch dicht beieinander. Parkinson schreibt mit großer Anteilnahme über einen Patienten, der seinen Diener immer etwa zehn Meter vorauseilen ließ, damit der ihn wieder auffangen konnte, wenn er vom Schlurfen in Trab

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