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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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aber aus Jacksons Werk nehmen sie sich nur, was gerade den Nerv der Zeit trifft. Das ist das Los aller großen Werke aus der Vergangenheit: Früher oder später verwandeln sie sich in ein kaltes Büffet.
    DER HERR JACKSON AUS LONDON
    In Frankreich gab es schon ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine Kontroverse über das Verhältnis zwischen Epilepsie und Hysterie. Beide Störungen begannen mit einem plötzlichen Anfall und viele der Symptome, wie Bewusstseinsverlust, Spasmen oder Raserei, stimmten überein. Auch Jackson selbst hatte einmal geschrieben, bestimmte Handlungen von Patienten nach einem Anfall könnten leicht mit Hysterie verwechselt werden. Möglicherweise existiere so etwas wie >Hystero-epilepsie<, eine kombinierte Form, in der sich beide Krankheitsbilder nicht mehr voneinander unterscheiden ließen. In Paris widmete der Neurologe Paul Richter, ein Schüler Charcots, eine prachtvolle, eigenhändig illustrierte Monographie dieser >Hystero-epilepsie<. 32
    Charcot selbst hat allerdings versucht, die Epilepsie gerade von der Hysterie zu trennen: Seiner Ansicht nach neigten hysterische Patienten in seiner Abteilung dazu, epileptische Anfälle zu imitieren. Für ihn gab es keinerlei Zweifel, dass Jackson eine rein neurologische Störung identifiziert hatte und hierfür eine entsprechende Ehrung verdiente. Diese erfolgte 1887. Wie so manch anderer Mann in unangreifbarer Machtposition kultivierte Charcot gerade in den Momenten, in denen die Macht am deutlichsten zu sehen war, eine lässige Haltung. So geschah es auch bei der Verleihung des Namens >Jackson-Epilepsie<. In einer seiner Legons du Mardi präsentierte er einen epileptischen Patienten und sagte:
    Aber kürzlich ist ein englischer Gelehrter, der Herr Jackson aus London, auf dieses Thema zurückgekommen und hat das Problem auf eine so detaillierte Weise behandelt, dass ich dieses Leiden manchmal ganz von selbst die Jackson-Epilepsie nannte, und dieser Name ist geblieben. Und zwar zu Recht. Es tut mir nicht leid. Damit habe ich Bravais um einiges zu kurz kommen lassen, aber letzten Endes ist die Studie des Herrn Jackson so wichtig, dass er es wahrhaft verdient, seinen Namen mit dieser Entdeckung verbunden zu sehen. Könnte man Bravais und Jackson zusammenfügen, den Franzosen und den Engländer, und wollte man von der Bra-vais-Jackson-Epilepsie sprechen, wäre das sicherlich gerechter, aber doch auch ein wenig lang! 33
    ]ean-Martin Charcot. Im Hintergrund einige der Posen hysterischer Patienten bei der Imitation eines epileptischen Anfalls.

    Das sind scheinbar beiläufige Sätze, als würde jemand laut nachdenkend einige Möglichkeiten gegeneinander abwägen, doch jeder im Saal wusste, dass dort, in diesem Moment, der Name Jackson untrennbar mit der Störung verschmolzen wurde, die er beschrieben hatte.
    Jackson hat sich exakt ein einziges Mal des ehrenvollen Eponyms bedient, 1908 in privater Korrespondenz. 34 John Hughlings
    Jackson starb drei Jahre später im Alter von sechsundsiebzig Jahren. Ein Neffe, der zum Testamentsvollstrecker ernannt worden war, erhielt die Anweisung, »eigenhändig all meine Briefe und Tagebücher und alle Notizbücher und Korrespondenz darüber zu vernichten«. 35 Diesen Auftrag hat er mit dem größten Respekt für den Neurologen und ohne Rücksicht auf die Neurologie ausgeführt. Es ist nahezu nichts Persönliches von Jackson erhalten geblieben. Sogar die casebooks, in denen er seine Beobachtungen notierte, sind verschwunden.

SIBIRISCHER BRANNTWEIN DAS KORSAKOW-SYNDROM
    Über das Leben von Sergej Korsakow ist im Westen nicht viel bekannt. Memoiren hat er selbst nie veröffentlicht - er erlag bereits im Alter von sechsundvierzig Jahren einem Herzleiden - und die biographischen Skizzen, die im Laufe der Zeit außerhalb Russlands erschienen, sind recht kurz und haben hagiographische Tendenzen. 1 Sie erzählen von einem beliebten Lehrmeister, einem vortrefflichen Dozenten und väterlichen Ratgeber, von überfüllten Vorlesungssälen und Wartezimmern, in denen sich gegen Mitternacht noch immer Patienten tummeln. Bekannt sind vor allem die Eckpunkte seiner Laufbahn, die Daten und Orte seiner Ausbildungen und Berufes. Viel mehr als das, was man heute in einen tabellarischen Lebenslauf aufnehmen würde, ist uns nicht überliefert. Das kollektive Gedächtnis der westlichen Wissenschaftsgeschichte enthält eine Handvoll Fragmente über Korsakow - ansonsten herrscht gähnende Leere, als hätten Historiker den Auftrag

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