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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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erhalten, das Gedächtnis eines Korsakow-Patienten zu reproduzieren.
    Sergej Sergejewitsch Korsakow wurde 1854 in Gus-Chrus-talny geboren, zweihundertfünfzig Kilometer östlich von Moskau. Der Ort wurde nach der örtlichen Glas- und Kristallfabrik benannt, die vielen Bewohnern den Lebensunterhalt sicherte, unter ihnen auch Korsakows Vater. Als Zehnjähriger ging Sergej nach Moskau, um dort das Gymnasium zu besuchen, an dem er einen hervorragenden Fremdsprachenunterricht genossen haben muss:
    Das Korsakow-Syndrom 145
    Einige seiner Artikel über das - wie es heute genannt wird - >Korsakow-Syndrom< schrieb er in einwandfreiem Deutsch und Französisch. Nach seinem Medizinstudium arbeitete Korsakow ausschließlich in neurologischen und psychiatrischen Kliniken. Als Anstaltsarzt promovierte er 1887 über die körperlichen und geistigen Folgen von Alkoholismus, die sogenannte >Alkohollähmung<. Als 1888 an der Universität von Moskau eine psychiatrische Klinik gegründet wurde, nahm Korsakow - mittlerweile Professor für Neurologie - das Angebot an, diese zu leiten.
    Im psychiatrischen und neurologischen Werk Korsakows gibt es eine eigenartige Spannung. In Russland ist Korsakow außer für das gleichnamige Syndrom vor allem für seine Versuche bekannt, die psychiatrische Behandlung zu humanisieren. Er setzte sich für eine Pflege ohne Gitter, Bettfesseln, Zwangsjacken oder andere körperlichen Restriktionen ein. Schlaf- und Ruhekuren stand er äußerst skeptisch gegenüber; seiner Meinung nach konnte man Patienten besser außerhalb der Klinik in kleinen Gemeinschaften und in Begleitung von Psychiatern auf dem Land unterbringen. Sedierende Medikamente durften nur zur Beruhigung der Patienten verabreicht werden, nicht um sie permanent ruhigzustellen. Dieser Ansatz stieß bei Ärzten und Pflegern auf heftigen Widerstand: Ohne physische Beschränkungen wurden höhere Anforderungen an den Umgang mit Patienten gestellt.
    Sergej Sergejewitsch Korsakow (1854-1900).

    Gleichzeitig war Korsakow davon überzeugt, dass jede Form der Geistesstörung letztendlich auf eine Erkrankung des Nervensystems zurückzuführen und Heilung ausschließlich über die neurologische Schiene zu erwarten war, und gerade jene Gedächtnisstörung, die er bei vielen seiner Patienten entdeckt hatte - bei Alkoholikern, aber auch bei Patienten, die niemals einen Tropfen zu sich genommen hatten -, war für ihn der x-te Beweis, dass psychische Störungen immer auf Erkrankungen der Nerven zurückgeführt werden konnten.
    146 Sib irischer Branntwein
    Die erste Veröffentlichung zu diesem Thema erschien 1887 in einer russischen Zeitschrift unter dem Titel »Uber eine polyneu-ritische Psychose mit einer auffälligen Störung der Konzentration und Pseudoreminiszenzen«. Polyneuritis, mehrfache Nervenentzündung, war nach Korsakow die Ursache für die akute Verwirrung seiner Patienten, der Begriff >Pseudoreminiszenzen< verwies darauf, dass seine Patienten dazu neigten, ihre Erfindungen mit Erinnerungen zu verwechseln. Dieser ersten Beschreibung folgten 1889 ein langer Artikel in der Revue philosophique 2 sowie 1890 und 1891 noch drei weitere Artikel in deutschen psychiatrischen Blättern. 3 Korsakow hatte seine Podien gut gewählt. Französisch und Deutsch waren mehr noch als Englisch die führenden Sprachen in der Psychiatrie und Neurologie. Zudem stand die Revue philosophique unter der redaktionellen Leitung des Nervenarztes Theodule Ribot, der 1881 seine monumentale Monographie über Gedächtnisstörungen veröffentlicht hatte, Les maladies de la memoire. 4 Korsakow hatte allen Grund, anzunehmen, dass sein Artikel »Etüde medico-psychologique sur une forme des maladies de la memoire« Ribots Interesse wecken würde, denn er lieferte darin eine klinische Bestätigung für Ribots Schlussfolgerungen. Er er-öffnete den Artikel mit einer Fallbeschreibung.
    ALLES IN BESTER ORDNUNG
    Ein siebenunddreißigjähriger russischer Schriftsteller hatte auf seinen Reisen nach Sibirien angefangen, große Mengen Branntwein zu sich zu nehmen. Alkoholmissbrauch sei, so fügte Korsakow unmittelbar hinzu, eine der wichtigsten Ursachen für Polyneuritis. Freunde des Schriftstellers bemerkten, dass dessen Gedächtnis schlechter wurde und man ihn morgens an seine Pläne für den jeweiligen Tag erinnern musste. Sie bemerkten auch, dass sein Gang unsicher geworden war. Am 25. Juni 1884 begann der Schriftsteller, seinen Alkoholkonsum drastisch zu reduzieren. Er selbst gab keine Gründe

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