Geister-Dämmerung
Freude, den Freund endlich wiederzusehen.
Sie umarmten sich. »Mandra, ich bin froh, dass du gekommen bist.«
»Wenn du mich rufst, komme ich sofort«
»Komm, setz dich.« Dehbril geleitete den Freund zu einer Sitzgruppe aus weichem Leder. Sie nahmen Platz. Zwischen ihnen befand sich der Glastisch, auf dem ein Telefon stand. Dehbril hatte den Hörer schon abgehoben. »Du trinkst doch Tee?«
»Ja.«
Das Getränk wurde bestellt. Der Professor lehnte sich zurück und sagte:
»Erzähl schon!«
»Eigentlich bist du an der Reihe.«
»Ich trete gern zurück.«
Mandra hob die Schultern. Er konnte seinem Gegenüber vertrauen, und er berichtete von dem Pech, das er bei der Suche nach den sieben Dolchen gehabt hatte. Dehbril hörte aufmerksam zu und fragte: »Hast du sie denn jetzt wieder komplett?«
Als Antwort öffnete Mandra sein Jackett. In Höhe der Hüfte trug er einen schwarzen Stoffgürtel, aus dem die Griffe zweier außergewöhnlicher Dolche ragten. Sie sahen aus wie blutrote, in die Länge gezogene Leimtropfen. Die Klingen waren tiefschwarz und trotzdem glänzend. Der Professor konnte es nicht sehen, weil der schärpenartige Gürtel sie verdeckte.
»Das sind sie.«
»Dann hast du sie doch wiedergefunden. Kompliment, Mandra.«
»Es war schwer genug. Leider sind es nur zwei. Die anderen wurden zerstört.« [1]
»Das glaube ich dir.«
Der Tee wurde von einem jungen Mädchen im weißen Laborkittel serviert. Das Tablett mit der Teekanne ließ sie auf dem Warmhalteporzellan stehen. Lächelnd schritt sie davon. Die beiden Männer tranken. Der Professor hatte noch viele Fragen, aber er wusste auch, dass sein Problem drängte. Er begann mit seiner Erklärung. »Ich habe dich gerufen, Mandra, weil ich deinen Rat brauche«, erklärte er.
»Bitte.«
Dehbril nickte. »Du weißt selbst, dass meine medizinischen Forschungsergebnisse nur von einem Teil der Kollegen anerkannt werden. Andere belächeln mich, weil ich noch immer nicht aufgegeben habe, nach dem legendären Yeti zu suchen.«
»Du hast ihn aber nicht gefunden?« fragte Mandra nach. Es klang kein Spott aus seiner Stimme, denn auch er war fast davon überzeugt, dass es diesen Yeti gab.
»Nein, ich fand ihn auch bei meiner letzten Expedition nicht. Dafür etwas anderes, das dich und vielleicht auch deine Freunde im fernen London sehr interessieren dürfte.« Dehbril legte die Stirn in Falten und dachte einen Moment nach. »Wir sind wieder in die Berge gestiegen, weil ich durch mündliche Aussagen zweier Nepalesen einige Anhaltspunkte bekommen hatte, wo sich der Yeti unter Umständen aufhalten könnte. Wir machten uns also auf den Weg in die Berge, erreichten auch das Ziel und begannen dort, wo auch unser Basislager stand, mit der Suche. Sie gestaltete sich sehr schwierig, weil wir in ein Gebiet geraten waren, das unterhalb der Hochebenen lag. Es war zerklüftet und durchzogen von gewaltigen Canyons, die wie finstere Massengräber wirkten. Aber ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Vorweg gesagt, den Yeti fanden wir nicht, dafür erreichten wir eine Schlucht, wie ich sie düsterer noch nicht gesehen hatte. Es war so ziemlich am Ende unserer Reise, als wir diese Schlucht erforschten. Bei bitterer Kälte. Auch wenn die Sonne hineinschien, tauten das Eis und der Schnee nicht weg. Diese Schlucht untersuchten wir sehr sorgfältig - und, was soll ich dir sagen, wir wurden fündig. Wir fanden etwas, das ebenso interessant sein kann wie der Yeti.«
»Was war es?«
»Ein Mensch. Begraben in einem gewaltigen Eisblock. Der Tote musste schon lange Jahre dort liegen. Er war bisher nur nicht entdeckt worden. Wir überlegten, was wir mit ihm anstellen sollten. Zurücklassen wollten wir ihn nicht. Wir bohrten den Eisblock an, schoben eine Sonde in den Spalt und fotografierten den Toten. Es war ein Europäer, das erkannten wir. Er musste sich alle Knochen bei einem tiefen Sturz gebrochen haben, und eigentlich wäre daran nichts Besonderes gewesen, bis auf eine Kleinigkeit.«
»Welche?«
»Einen Moment, ich werde dir die Bilder zeigen.« Professor Dehbril griff in seine Innentasche und holte einen Umschlag hervor. Er öffnete und schüttelte ihn, so dass vier Fotos herausrutschten, als er ihn schräg hielt. Die Aufnahmen glitten auf den Glastisch.
»Schau sie dir an.«
Mandra griff danach. Er drehte sich und hielt das erste Bild gegen das Licht. Die Sonde hatte durch den dünnen Eiskanal fotografiert und zeigte den Eingefrorenen aus verschiedenen
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