Geisterbahn
mit Gunther, Ghost, seinen übrigen Angestellten und ein paar Arbeitern aus dem Ort, die sich darauf freuten, vierzig Dollar pro Kopf verdienen zu können, sowie mit einigen freiberuflichen Roadies, die mit dem Jahrmarkt reisten, an der Geisterbahn. Sie bauten sie auseinander und verluden sie auf zwei große Trucks, die das zerlegte Monstrum in die nächste Stadt bringen würden.
Da Conrads Geisterbahn sich zu Recht brüsten konnte, die größte auf der Welt zu sein, und den Kunden ein ordentliches Entsetzen für ihr Geld bot, und da die Fahrt so lange dauerte und so dunkel war, daß die Jungs im Teenageralter ihre Mädchen ordentlich abknutschen konnten, handelte es sich um eine beliebte und profitable Attraktion. Er hatte viele Jahre damit verbracht und viel Geld ausgegeben, die Bahn immer weiter auszubauen, bis sie eine der besten ihrer Art war. Er war stolz auf seine Schöpfung.
Doch jedesmal, wenn die Geisterbahn auf- oder abgebaut werden mußte, haßte Conrad das Ding mit einer Inbrunst, wie sie wohl kaum ein zweiter Mensch einem unbelebten Gegenstand entgegenbringen konnte. Obwohl die Geisterbahn überaus klug entworfen worden und leicht zusammenzubauen war, kam es, zumindest in Conrads Vorstellung, den spektakulärsten und beschwerlichsten Bravourleistungen der Erbauer der antiken ägyptischen Pyramiden gleich, das Ding auseinanderzunehmen und wieder aufzubauen.
Über vier Stunden lang schwärmten Conrad und sein Trupp von zwölf Männern über dem Gebilde aus, das von den großen, von Generatoren betriebenen Scheinwerfern des Mittelgangs beleuchtet wurde. Sie bauten das riesige Clownsgesicht ab und ließen es zu Boden, rollten Schnüre mit bunten Lampen und Tausende von Metern schwerer Verlängerungskabel zusammen. Sie zogen das Segeltuchdach ab und falteten es zusammen. Ächzend und schwitzend bauten sie die Gleise der Gondeln auseinander und verstauten sie im Lastwagen. Sie entfernten die mechanischen Ghouls, Geister und Axtmörder, die Tausende von Besuchern erschreckt hatten, und hüllten die belebten Figuren in Decken und andere Polsterungen. Sie schraubten hölzerne Wandtäfelungen ab, nahmen Balken und Verstrebungen auseinander, hoben Bodenbretter hoch und rissen sich dabei die Knöchel auf. Sie bauten das Kartenhaus ab, packten Generatoren und Transformatoren und eine Reihe weiterer Maschinen in die wartenden Lastwagen, die regelmäßig von Max Freed oder einem seiner Assistenten kontrolliert wurden.
Max, Transportleiter der Big American Midway Shows (BAM), überwachte den Abbau und das Verladen des großen Mittelgangs. Neben der berühmten Firma E. James Strates war BAM der größte Jahrmarkt der Welt. Es war kein lausiges kleines Unternehmen, das durch die Provinzen tingelte, sondern eine erstklassige Show. BAM war mit vierzig Eisenbahnwaggons und über sechzig riesigen Trucks unterwegs. Obwohl einige Attraktionen im Besitz unabhängiger Schausteller und nicht von BAM waren, wurde jeder Lastwagen von Max Freed inspiziert, denn das große Unternehmen würde die Schuld bekommen, sollte sich eins der Fahrzeuge als nicht straßentauglich erweisen und einen Unfall verursachen.
Während Conrad und seine Leute die Geisterbahn abbauten, waren ein paar hundert weitere Schausteller auf dem Mittelgang am Werk - Roadies, Lizenznehmer, Tiertrainer, ungelernte Helfer, Mechaniker, Ausrufer, Losverkäufer, Köche, Stripperinnen, Liliputaner, Zwerge, sogar die Elefanten. Außer den Männern, die in ein paar Stunden die Lastwagen vom Gelände fahren würden und nun fest schliefen, konnte niemand Feierabend machen, bis sein Bestandteil des Jahrmarkts zusammengepackt, festgezurrt und aufbruchbereit war.
Das Riesenrad wurde abgebaut. Die noch stehenden Teile sahen aus wie zwei riesige, gezackte Kiefer, die in den Himmel bissen.
Auch die anderen Fahrattraktionen wurden schnell auseinandergenommen. Der Sky Diver. Der Tip Top. Das Round-up. Das Karussell. Magische Maschinen des Vergnügens, die nun alle in ganz normal aussehenden, verstaubten, schmutzigen Lastwagen verstaut wurden.
In der einen Minute kräuselten die Zelte sich noch wie strömender dunkler Regen. In der nächsten lagen sie wie stille, schwarze Pfützen da.
Die grotesken Bilder auf den Transparenten der Freakshow - alle von dem berühmten Jahrmarktkünstler David >Snap< Wyatt gemalt - flatterten und bauschten sich zwischen ihren Vertäuungen auf. Einige der großen Gemälde zeigten die verzerrten, mutierten Gesichter jener menschlichen
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