Geisterbahn
trieben.
Augen.
Sie sah dem Fremden in die Augen.
Was ist das für ein Mensch, dessen Augen in der Dunkelheit leuchten?
Bob Drew stand mit zwei kandierten Äpfeln in den Händen in der Nähe des Karussells und wartete auf Chrissy.
Nach fünf Minuten fing er an, seinen eigenen Apfel zu essen. Nach zehn Minuten wurde er ungeduldig und schritt auf und ab. Als fünfzehn Minuten verstrichen waren, wurde er wütend auf Chrissy; sie war ein hinreißendes Mädchen, und er war gern mit ihr zusammen, aber sie war manchmal flatterhaft und häufig unbedacht.
Nach zwanzig Minuten wich sein Zorn leiser Besorgnis; dann machte er sich ernsthafte Sorgen. Vielleicht war ihr schlecht geworden. Sie hatte eine unglaubliche Menge von ungesundem Zeug gefuttert, und alles durcheinander. Es wäre erstaunlich, wenn sie sich nicht übergeben müßte.
Außerdem wußte man nie genau, wie bekömmlich das Essen auf dem Jahrmarkt war. Vielleicht war ihr Hotdog nicht in Ordnung gewesen, oder sie hatte mit ihrem Chilliburger unwissentlich irgendwelchen Dreck gegessen.
Als er diese Möglichkeiten in Betracht zog, wurde ihm ganz komisch im Magen. Er starrte den zur Hälfte gegessenen kandierten Apfel an und warf ihn schließlich in einen Mülleimer.
Er wollte sie suchen und sich überzeugen, daß sie in Ordnung war, doch er nahm nicht an, daß Chrissy sich übermäßig freuen würde, ihn zu sehen, während ihr Atem noch nach Kotze stank. Wenn sie sich gerade auf der Damentoilette übergeben hatte, brauchte sie Zeit, um sich frisch zu machen, ihr Make-up in Ordnung zu bringen und sich wieder zusammenzureißen.
Nach fünfundzwanzig Minuten warf er Chrissys Apfel zu dem seinen in die Mülltonne.
Die endlos galoppierenden Pferde und die rhythmisch aufblitzenden Messingstangen langweilten ihn unerträglich. Er machte sich immer größere Sorgen, und schließlich ging er auf die Suche nach Chrissy. Er hatte ihr nachgeschaut, wie sie sich vom Erfrischungsstand entfernt hatte, dabei ihren runden Hintern und ihre wohlgeformten Waden bewundert, und dann war sie in der Menge verschwunden. Eine oder zwei Minuten später hatte er geglaubt, ihren goldenen Haarschopf zu sehen, als sie den Mittelgang in der Nähe der Geisterbahn verließ, und nun faßte er den Entschluß, zuerst in dieser Richtung nachzusehen.
Zwischen der Geisterbahn und der Freakshow führte ein anderthalb Meter breiter Pfad auf eine offene Fläche hinter den Schaubuden, der äußere Ring des Kirmesgeländes, auf dem sich die Toiletten befanden. Am Ende des Durchgangs waren die Schatten so dunkel und dick, daß sie ihm berührbar vorkamen wie schwarze Vorhänge, und die Nacht war hier überraschend einsam angesichts der Tatsache, daß der gut besuchte Mittelgang sich nur fünfzehn, zwanzig Meter hinter ihm befand.
Bob spähte unbehaglich in die Schatten und fragte sich, ob Chrissy es mit ernsteren Schwierigkeiten als nur einem verdorbenen Magen zu tun bekommen hatte. Sie war ein sehr hübsches Mädchen, und heutzutage, da so viele Menschen jeden Respekt für das Gesetz verloren zu haben schienen, streiften einige Männer herum, die sich nichts dabei dachten, von hübschen Mädchen zu nehmen, was sie wollten, und sei es mit Gewalt. Bob vermutete, daß auf dem Jahrmarkt noch mehr Männer dieses Schlages herumliefen als sonstwo.
Mit wachsender Beklommenheit erreichte er das Ende des Weges und trat auf die offene Fläche hinter der Geisterbahn. Er schaute zuerst nach rechts und dann nach links und entdeckte die Toilette. Sie war etwa sechzig Meter entfernt, rechteckig, grau, bestand aus Zementziegeln und befand sich in der Mitte einer eng eingegrenzten Pfütze aus hellem, gelblichem Licht. Er konnte nicht das gesamte Gebäude sehen, nur ein Drittel davon, denn auf den dazwischen liegenden sechzig Metern waren zehn oder zwölf große Trucks vom Jahrmarkt abgestellt. Hier war die Dunkelheit noch tiefer; die Lastwagen waren nur wuch tige Umrisse und ließen Bob an schlafende urzeitliche Tiere denken.
Er hatte nur zwei Schritte in Richtung der fernen Toilette getan, als er seinen Fuß auf etwas setzte, das ihn fast der Länge nach hinfallen ließ. Als er das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, bückte er sich und hob den tückischen Gegenstand auf.
Es war Chrissys rote Unterarmtasche.
Bob Drews Herz stürzte in einen bodenlosen Abgrund.
Am anderen Ende der Geisterbahn, an der Front, auf dem Mittelgang, spritzte das riesige Clownsgesicht ein sprödes Schrapnellgelächter in die Nacht
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