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Geisterbahn

Geisterbahn

Titel: Geisterbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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bewegte Schlaglade in einem Sturm.
    Bin ich verrückt? fragte sie sich. Bin ich genau wie meine Mutter - sehe ich Teufels Werk in jedem, in allem, an Orten, an denen es gar nicht existiert? Bin ich schlimmer als Gina?
    Nein, sagte sie sich unnachgiebig. Ich bin nicht verrückt, und ich bin nicht wie Gina. Ich habe einen guten Grund.
    Und im Augenblick ... na ja ... vielleicht habe ich zuviel getrunken, und ich kann nicht mehr klar denken.
    Ihr Mund war vom Schnaps trocken und sauer, aber sie brauchte noch einen Drink. Sie sehnte sich danach, dieses Gefühl des Treibens noch einmal zu durchleben, diese helle, angenehme Stimmung, die sie genossen hatte, bevor Joey ihr mit seiner Halloween-Maske einen riesigen Schrecken eingejagt hatte.
    Sie spürte bereits die Vorzeichen eines Katers: ein leicht komisches Gefühl im Magen, das allmählich einer immer stärker werdenden, aufwühlenden Übelkeit wich; ein dumpfes Pochen in ihren Schläfen, das sich zu rasenden Kopfschmerzen steigern würde. Bevor sie sich noch schlechter fühlte, brauchte sie unbedingt einen Schluck gegen den Kater. Einen großen Schluck. Mehrere Schlucke, ach was, mehrere Gläser voll des guten Zeugs in der durchsichtigen Flasche, des Zeugs, das aus Kartoffeln gebrannt wurde. Wurde Wodka nicht aus Kartoffeln gemacht? Kartoffelsaft - dann würde sie sich wieder gut fühlen. Wenn sie ihre Rädchen mit etwas Kartoffelsaft schmierte, würde sie wieder in diese angenehme Stimmung gleiten, genauso problemlos wie sie in einen weichen, flauschigen alten Bademantel schlüpfte.
    Sie wußte, daß sie eine Sünderin war. Den Schnaps so runterzukippen, wie sie es sich angewöhnt hatte, war zweifellos eine Sünde, und wenn sie nüchtern war, konnte sie den spirituellen Fleck sehen, den der Alkohol auf ihr hinterlassen hatte.
    Gott steh mir bei, dachte sie. Gott helfe mir, denn ich selbst scheine mir nicht mehr helfen zu können.
    Sie ging die Treppe hinunter, um sich noch einen Drink zu holen.
    Nachdem seine Mutter das Zimmer verlassen hatte, blieb Joey noch zehn Minuten lang im Bett. Als er glaubte, sich ungefährdet bewegen zu können, schaltete er die Lampe ein und stand auf.
    Er ging zum Papierkorb neben der Kommode und starrte auf den Haufen der Monstermodelle hinab. Sie quollen aus dem Eimer heraus, ein Gewirr schnaubender, nach ihm greifender Plastikgeschöpfe. Draculas Kopf war abgerissen worden. Auch einige der anderen Figuren schienen beschädigt worden zu sein.
    Ich werde nicht weinen, sprach Joey sich Mut zu. Ich werde nicht anfangen, wie ein Baby zu heulen. Das würde ihr gefallen. Ich werde nichts tun, was ihr gefallen würde.
    Tränen glitten weiterhin seine Wangen hinab, aber das war für ihn kein Weinen. Weinen war, wenn man sich die Augen ausheulte und die Nase lief, wenn man plärrte und rot im Gesicht wurde und völlig die Kontrolle über sich verlor.
    Er wandte sich von dem Papierkorb ab und trat an seinen Schreibtisch, von dem Mama alle Miniaturmonster entfernt hatte, die er gesammelt hatte. Übriggeblieben war lediglich seine Spardose. Er griff danach und trug sie zum Bett.
    Es handelte sich um einen großen Mason-Krug. Die Münzen darin hatte er mühsam von seinem Taschengeld abgezweigt, das er dafür erhielt, daß er sein Zimmer in Ordnung hielt und im Haushalt half. Er verdiente sich auch etwas nebenbei, indem er für Mrs. Jannison, eine alte Nachbarin, Einkäufe erledigte. Es waren auch einige Dollarscheine in dem Krug; die meisten davon waren Geburtstagsgeschenke von seiner Oma Harper, seinem Onkel John Harper und seiner Tante Emma Williams, die Daddys Schwester war.
    Joey leerte den Inhalt des Krugs auf dem Bett aus und begann zu zählen. Neunundzwanzig Dollar. Und ein Fünfcentstück. Er war alt genug, um zu wissen, daß es sich nicht um ein Vermögen handelte, dennoch war es für ihn viel Geld.
    Mit neunundzwanzig Dollar konnte man doch weit kommen. Er wußte nicht genau, wie weit, schätzte aber, mindestens dreihundert Kilometer.
    Er würde ein Bündel schnüren und von zu Hause ausreißen. Er mußte einfach davonlaufen. Falls er noch länger hier blieb, würde Mama eines Nachts, wenn sie richtig betrunken war, in sein Zimmer kommen und ihn umbringen.
    Genau, wie sie Victor umgebracht hatte.
    Wer auch immer dieser mysteriöse Victor gewesen war.
    Er dachte darüber nach, wie es sein würde, allein in eine ferne, fremde Stadt zu fahren. Zuerst einmal würde er sehr einsam sein. Aber er würde Mama nicht vermissen. Nicht einmal seinen

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