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Geisterbahn

Geisterbahn

Titel: Geisterbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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daß Mama ihr die Erlaubnis erteilt hatte, den Fötus abzutreiben. Sie machte sich Gedanken über die Furcht, die sie in den Augen ihrer Mutter gelesen hatte.
    Sie wurde als ambulante Patientin geführt, und eine Schwester brachte Amy in einen Raum, in dem sie sich ausziehen und ihre Kleidung in ein Schließfach legen konnte. Mama blieb im Wartezimmer.
    Nachdem eine Krankenschwester ihr eine Blutprobe entnommen hatte, trat Dr. Spangler ins Sprechzimmer und plauderte kurz mit ihr. Er versuchte, sie zu beruhigen. Er war ein jovialer, rundlicher Mann mit einer Glatze und buschigen grauen Koteletten.
    »Sie sind noch nicht sehr weit«, sagte er. »Eine ganz einfache Prozedur. Ernste Komplikationen sind nicht zu erwarten. Machen Sie sich keine Sorgen, ja? Es wird vorbei sein, bevor Sie überhaupt mitbekommen haben, daß es richtig angefangen hat.«
    In dem kleinen Operationsraum wurde Amy ein leichtes Betäubungsmittel verabreicht. Sie trieb langsam aus ihrem Körper, als wäre sie ein Ballon, der in einen unendlichen, blauen Himmel aufstieg.
    Amy hörte, daß in der Ferne hinter einem Nebel aus Licht und einem Vorhang aus dumpfem Geflüster eine Krankenschwester leise sprach. »Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, nicht wahr?« sagte die Frau.
    »Ja, sehr hübsch«, erwiderte Dr. Spangler, und seine Stimme wurde von einer Silbe zur anderen leise, bis sie kaum noch verständlich war. »Und auch sehr nett. Ich bin ihr Arzt, seit sie ein kleines Kind war. Sie ist immer so höflich, so zurückhaltend ... «
    Während Amys Geist sich von ihnen entfernte, versuchte sie dem Arzt zu sagen, daß er sich geirrt hatte. Sie war kein nettes Mädchen. Sie war ein sehr böses Mädchen.
    Er hätte Mama fragen sollen. Mama würde ihm die Wahrheit sagen. Amy Harper war ein ungezogenes Mädchen, im Innern böse, ungezügelt, wild, unzuverlässig; sie taugte einfach nichts. Sie versuchte Dr. Spangler zu sagen, wie nichtswürdig sie war, doch ihre Lippen und die Zunge reagierten nicht auf ihre Befehle. Sie brachte keinen Ton hervor ...
    ... bis sie »Ah« sagte und im Aufwachraum die Augen öffnete. Sie lag flach auf dem Rücken auf einem Bett mit Rollen und einem Gitter an den Seiten und starrte zu einer Decke hoch, an der Fliesen für eine Schalldämpfung sorgten. Einen Augenblick lang wußte sie nicht, wo sie war.
    Dann fiel ihr alles wieder ein, und sie war erstaunt, daß  die Abtreibung so schnell und problemlos vonstatten gegangen war. Sie mußte noch eine Stunde lang im Aufwachraum liegenbleiben, nur um sicherzustellen, daß bei ihr keine Blutungen auftraten.
    Um halb drei saß sie mit ihrer Mutter im Pontiac und war auf dem Weg nach Hause. Während der ersten Hälfte der kurzen Fahrt sagte keiner von ihnen etwas. Mamas Gesicht sah aus wie aus Stein gemeißelt.
    »Mama«, sagte Amy schließlich, »ich weiß, du wirst mir ein paar Monate lang Stubenarrest erteilen wollen, aber ich hoffe, daß ich abends weiterhin im Dive arbeiten darf, falls Mr. Donnatelli mir diese Schicht gibt.«
    »Du kannst arbeiten, wann immer du arbeiten willst«, erwiderte ihre Mutter kalt.
    »Ich werde von der Arbeit direkt nach Hause kommen.«
    »Das mußt du nicht«, erwiderte Mama. »Mir ist egal, was du treibst. Das interessiert mich einfach nicht mehr.
    Du wirst sowieso nicht mehr auf mich hören. Du wirst dich nicht anständig benehmen müssen. Du hast bei diesem Ding in dir die Zügel gelockert, und jetzt gibt es kein Halten mehr. Ich kann nichts mehr tun. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.«
    »Bitte, Mama. Bitte. Hasse mich nicht.«
    »Ich hasse dich nicht. Ich fühle mich nur taub, leer. Im Augenblick bringe ich dir gar keine Empfindungen mehr entgegen.«
    »Schreib mich nicht ab.«
    »Es gibt nur einen Weg zum Himmel«, sagte die Mutter.
    »Aber wenn du zur Hölle fahren willst, wirst du tausend Wege finden, die dich dorthin bringen. Ich kann sie nicht alle versperren.«
    »Ich will nicht in die Hölle kommen«, sagte Amy.
    »Es ist deine Entscheidung«, erwiderte ihre Mutter.
    »Von jetzt an trägst du die Verantwortung. Mach, was du willst. Du wirst sowieso nicht mehr auf mich hören, also will ich nichts mehr mit dir zu tun haben.« Während sie sprach, steuerte sie den Wagen auf die Auffahrt des Hauses an der Maple Lane. »Ich gehe nicht mit dir rein. Ich muß noch ein paar Lebensmittel einkaufen. Falls dein Vater schon aus dem Büro zurückgekehrt ist, sag ihm, du hättest im Einkaufszentrum einen

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