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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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ihn mit Seifenschaum.
    »Bin eben einfach spitze«, erwiderte er feierlich.
    »Solche Witze macht er immer, nur findet die keiner lustig«, sagte sie vertraulich zu mir.
    »Immerhin weiß ich, wie man eine Spülmaschine einräumt. Wenn du den Topf so hineinstellst, blockiert er die Wasserzufuhr, und der Rest wird nicht sauber.« Er klopfte sich an die Nase und sagte zu mir: »Siehst du? Das große Ganze.«
    Ich spülte weiter ab, und die beiden stritten scherzhaft darüber, ob man Messer mit der
Klinge nach oben oder nach unten einräumte, ob Kristallglas hineingehörte und wo genau man den Pfannenwender verstaute. Ich merkte, wie ich dem Rhythmus ihres zwanglosen Geplänkels verfiel.
So ist es, zu einer Familie zu gehören
, dachte ich.
Zu Menschen, die einen gern haben.
Als wir gemeinsam lachten, erwachte plötzlich ein lebloser Teil von mir flammend zum Leben und erfüllte mich mit der Freude und dem Staunen eines Kindes, das in der Menge ein Lieblingsspielzeug wiederfindet, das es für immer verloren geglaubt hatte.
    Ich ließ den Teller los, den ich gerade in den Wasserstrahl hielt, und er fiel krachend in die Spüle. Die Neckereien verstummten. »Tut mir leid«, sagte ich und versuchte gar nicht erst, überzeugend zu klingen. »Auf der Straße lernt man nicht so viel über teures Porzellan.«
    Das Gefühl dazuzugehören war herrlich, wie eine Fata Morgana, die mich trügerisch lockte und gefährlich außerhalb meiner Reichweite blieb. Es war keine gute Idee, den beiden zu nahezukommen. Ich wollte nicht, dass sie mich mochten, und auch ich wollte sie nicht mögen. Es wäre für uns alle besser, die Distanz zu wahren.
    Entbehrlich
, erinnerte ich mich.
Dies hier ist nur ein Spiel, und du bist entbehrlich.
    »Ich bin müde«, verkündete ich. »Ich möchte ins Bett.«
    Bridgette gelang es, ehrlich verwirrt auszusehen. Sie sagte »natürlich« und brachte mich in mein Zimmer, das zwei Treppen höher im Turm lag. »Du kannst dir etwas zum Anziehen aus den Schubladen nehmen. Da müssten Schlafanzüge und ein Bademantel drin sein.«
    »Super«, sagte ich mit dem Rücken zu ihr, meine Hände umschlossen die Ellbogen.
    Die Sorge in ihrer Stimme klang echt. »Falls du was brauchst …«
    »Ich muss einfach nur schlafen.«
    »Sicher, okay.« Ich spürte, wie sie zögerte, vielleicht noch etwas sagen wollte, aber es kam nur ein »Na, dann gute Nacht«, und die Tür fiel leise ins Schloss.
    Ich horchte auf ihre Schritte, bevor ich mich umdrehte. Ich biss mir auf die Lippe, und meine Hände zitterten so sehr, dass ich die Tür erst beim zweiten Versuch abschließen konnte. Ich schaffte es gerade noch ins Bett und zog mir ein Kissen über den Kopf, bevor ich zu schluchzen anfing.

8. Kapitel
    I
ch sitze an einem großen, glänzenden Tisch in einem geräumigen Zimmer. Ich bin nie zuvor hier gewesen, aber es kommt mir bekannt vor; es ist ein Raum, wie man ihn überall in Anstalten findet: einige runde Tische mit Stühlen, vergitterte Fenster, einige Sessel in der Ecke, ein Schreibtisch für den Wärter oder die Krankenschwester.
    Mir gegenüber sitzt ein Mädchen. Ich kenne sie ebenso wenig wie das Zimmer, und doch kommt auch sie mir bekannt vor. Irgendwo außerhalb des Raums klingelt ein Telefon.
    »Wer bist du?«, frage ich das Mädchen.
    »Wer bist du?«, fragt sie zurück.
    Das Telefon klingelt erneut.
    »Ich mag keine Spiele«, sage ich.
    »Ich mag keine Spiele«, antwortet sie.
    Klingeling,
sagt das Telefon.
    »Warum machst du das?«, will ich wissen.
    »Warum machst
du
das?«
    »Hör auf«, schreie ich.
    Das Klingeling wird lauter. »Hör auf«, wiederholt sie ruhig.
    Ich weiß instinktiv, dass sie das Telefon meint. Dass der Anruf für mich ist; er ist wichtig, eine Sache auf Leben und Tod. So wie ich weiß, dass ich ihn nicht annehmen werde.
    Ich stehe vom Tisch auf und gehe zur Tür. Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Ich kann einfach aufstehen und gehen; ich muss nicht mit dieser Verrückten reden. Ich bin keine Gefangene.
    Die Tür ist verschlossen. Das Mädchen hinter mir lacht, ein silbriges, belustigtes Lachen, bei dem mich ein Schauer überläuft. Ich greife wieder nach dem Türknauf, doch meine Handfläche ist verschwitzt und rutscht ab. Ich kann nicht hinaus, ich sitze in der Falle.
    Als ich hochschreckte, hielt ich die Decke fest umklammert und fragte mich, wo ich war. Ich konnte noch schwach ihr Gelächter hören.
    Für mich waren die Grenzen zwischen Wachsein und Schlaf lange Zeit

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