Geisterblumen
habe geschrieben, ich würde die Maiskuchen nehmen und du die Waffeln«, fügte sie hinzu.
»Was spielt es für eine Rolle, was wir zum Frühstück essen?«
»Wir können später feststellen, ob eines der Gerichte erfolgreicher war als sonst und damit unsere eigene Beliebtheit einschätzen. Marktforschung.« Bevor ich mir eine Antwort überlegen konnte, sprach sie weiter. »Wenn niemand weiß, dass wir am Three-Lovers-Point sind, und ein Geist auftaucht, können wir damit beweisen, dass er echt ist. Und dass er dich verfolgt.«
»Und wenn kein Geist auftaucht?«
Coralee zuckte mit den Schultern. »Dann ist es vermutlich ein Scherz gewesen, und wir wechseln von
Blair Witch
zu
Law and Order
und suchen den Täter. Es landet so oder so bei YT .«
» YT steht für YouTube«, informierte mich Grant.
Zum ersten Mal an diesem Morgen begegneten sich unsere Blicke, und mein Herz machte einen Sprung. Er wandte sich rasch ab, und der Knoten in meinem Magen zog sich zusammen.
Sei kein Idiot. Er interessiert sich überhaupt nicht für dich. Wie auch? Du bist …
»Jedenfalls ahne ich, dass sie auftaucht«, sagte Coralee in meine Gedanken hinein.
»Wer … ich meine, wieso?«
»Du wirst schon sehen«, antwortete sie mit einem durchtriebenen, beinahe gefährlichen Lächeln.
Den Rest der Fahrt über diskutierte sie mit ihrer Crew über Kameraeinstellungen und erzählerische Ansätze, und ich konnte nur daran denken, wie nervös ich war und dass ich mich Grant gegenüber zum Narren gemacht hatte.
Der Parkplatz des Wanderwegs, der zum Three-Lovers-Point führte, lag verlassen da. Huck beschloss, uns gleich hier mit Mikrophonen zu versehen. Während er mit Coralee beschäftigt war, lehnte ich mich gegen das Auto, die Arme vor der Brust verschränkt, und schaute zu, wie ein leichter Wind Wellen in den roten Staub malte, die aussahen wie die Muster, die die Brandung am Strand hinterlässt. Grant kam um den Wagen herum und stellte sich neben mich.
Ich nickte ihm zu und warf ihm von der Seite einen Blick zu. Er wirkte freundlich, aber auch irgendwie schüchtern. »Kommst du klar?«
Ich schaute wieder auf den rostfarbenen Staub, der schon über meine Füße und die Spitzen seiner dunkelblauen Sneaker wanderte. »Klar doch. Was könnte lustiger sein als ein Besuch an der Stelle, an der meine beste Freundin in den Tod gesprungen ist?« Die Worte waren heraus, bevor ich richtig darüber nachgedacht hatte, und mir wurde klar, dass es mir allmählich leichter fiel, Aurora zu sein.
Grant verschränkte die Arme vor der Brust, wobei ich die Muskeln in seinen Unterarmen bewundern konnte. »Mensch, wenn du es so sagst, klingt es toll.«
Kurze Stille. Wir unterbrachen sie gleichzeitig. Er sagte: »Ich wollte mich entschuldigen wegen gestern Abend, ganz am Ende, da …«, während ich »Das mit gestern Abend tut mir so leid, ich …« ansetzte.
Wie hielten inne und mussten lachen. Unsere Blicke begegneten sich, und es war genau wie letzte Nacht, als so viele Möglichkeiten in der Luft gelegen hatten und ich geglaubt hatte, er werde mich küssen. Mein Atem stockte, meine Knie zitterten.
»Ist das ein Witz, der ins Video gehört?«, fragte Coralee und kam zu uns herüber. Sie wirkte überreizt, angespannt und erregter als sonst.
»Nein«, antworteten wir wie aus einem Mund.
»Dann hol dir dein Mikro, damit wir loslegen können.«
Nachdem das erledigt war, lief Huck voraus, um die Ausrüstung vorzubereiten, während Grant Coralee und mich von hinten filmte. Der Weg war mit einer Mischung aus Schotter und dem feinen, roten Staub vom Parkplatz bedeckt, der beim Gehen um unsere Füße wirbelte und alles mit einer roten Schicht überzog. Der Hang war nicht steil und mit Turnschuhen mühelos zu bewältigen, doch ich trug ja die Plateausandalen, die Coralee ausgesucht hatte. Wenigstens musste ich mich aufs Gehen konzentrieren und konnte mich so von dem Gefühl ablenken, dass ich das hier eigentlich nicht hätte machen sollen.
Ich wusste, es gab keine Geister. Also würde bei Coralees Experiment auch nichts herauskommen.
Oder doch?
Coralee hatte pausenlos geredet, fast wie eine Parodie ihrer selbst. Doch als wir höher stiegen, wurde sie ernster und stiller, und in den letzten beiden Minuten sprach sie nur einmal, um mir eine Abkürzung zu zeigen. Zuerst dachte ich, sie spielte für die Kamera, doch als ich mich umdrehte, war Grant nicht mehr zu sehen. Ihre Einsilbigkeit wirkte ansteckend, und als wir den Gipfel fast erreicht hatten,
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