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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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ihr geschehen ist.«
    Der Wechsel kam so rasch und vollständig, dass er
beinahe
überzeugend war.
    »Und wenn wir die Wahrheit schon kennen? Dass sie Selbstmord begangen hat?«
    »Das glaube ich nicht. Weckt das alles denn keine Erinnerungen in dir?«
    »Ich war nicht hier oben.«
    »Woher willst du das wissen? Ich dachte, du könntest dich an nichts erinnern.« In ihrem Ton lag eine gewisse Schärfe und ihr Blick war durchdringend.
    »Tue ich auch nicht.« Ich bemühte mich, nicht nervös zu klingen. »Aber … aber ich bin mir sicher. Es kommt mir nicht bekannt vor.«
    »Ich glaube, du lügst.«
    Da wurde ich wieder Aurora. Ich lachte und sagte: »Du bist verrückt. Das alles hat Spaß gemacht. Aber es ist ziemlich offensichtlich, dass kein Geist kommen wird, also verschwinde ich jetzt.« Ich wollte gerade gehen, als mein Handy klingelte.
    Unbekannter Anrufer.
    Ich blieb stehen und drehte mich um. Coralee und ich starrten einander an. Zugegeben, mein Herz schlug schneller.
    »Geh ran«, flüsterte sie mit erstickter Stimme.
    Ich holte tief Luft. »Hallo?«
    »Wo steckst du?«, fragte Bridgette. »Du bist nicht im Spa und auch nicht bei Maria’s zum Frühstück, wie du getwittert hast.«
    Es hätte mich eigentlich nicht überraschen dürfen, dass sie mich so genau überwachte. »Wie nett von dir, dass du dich für mein Wohlergehen interessierst. Bevor du weiter sprichst, solltest du wissen, dass dieser Anruf aufgezeichnet wird.«
    Ich legte die Hand über das Handy und sagte zu Coralee: »Es ist Bridgette. Wir sehen uns unten.« Ich ging zum Abstieg, bevor sie mir widersprechen konnte.
    »Wovon redest du? Wieso wird dieser Anruf aufgezeichnet?«
    Es war so gut wie unmöglich, auf den Sandalen die Balance zu wahren. Ich rutschte und stolperte den Weg hinunter, dass die roten Kiesel spritzten und der Staub mich in eine Wolke hüllte. »Ich filme gerade mit Coralee am Three-Lovers-Point. Wir warten, ob ein Geist auftaucht.«
    Ihr Schweigen dauerte länger als gewöhnlich. Ich merkte, dass Bridgette sich einen Kommentar nach dem anderen überlegte und wieder verwarf. »Ist der Geist erschienen?«, fragte sie schließlich.
    »Nein, keine Spur von ihm.« Ich schwankte das letzte Stück des Weges entlang, das zum Glück eben war, und erreichte den Parkplatz. Hier unten wehte nur eine schwache Brise, die kaum ausreichte, um der Sonne ihre Schärfe zu nehmen.
    »Wohin fährst du als Nächstes, und wann kommst du nach Hause?«
    Ich kam mir vor wie eine Marionette, die von einem hektischen Kind gespielt wird – mit schlaksigen Beinen und zuckenden Ellbogen versuchte ich, mir die Jacke auszuziehen, während ich weitertelefonierte. Vor mir tauchte das Schild auf, das den Beginn des Weges markierte. »Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme. Ich denke …«
    Ich vergaß, was ich sagen wollte, und ließ das Handy fallen. Auf die Rückseite des
Schildes hatte jemand in großen, staubig roten Buchstaben geschrieben: GIB ACHT , RORO .
    Ich hörte Bridgettes Stimme vom Boden, doch sie schien unwichtig und ganz weit weg. Ich konnte nur auf die Nachricht starren. Wie ein Wissenschaftler, der eine neue Spezies entdeckt hat und sich von ihrer Existenz überzeugen will, streckte ich die Hand nach dem ersten R des Namens aus. Es verschwand unter meinen Fingern und löste sich in Staub auf.
    Ich zeig dir die Angst in einer Handvoll Staub.
    Wenn die Schrift so hauchzart war, konnte die Nachricht nicht lange hier gestanden haben. Also hatte sie jemand dort hinterlassen, während wir am Three-Lovers-Point waren. Jemand (aber niemand wusste, dass wir hierhin wollten) war gekommen und hatte das geschrieben (wir hatten kein Auto gehört), und es gab eine vernünftige Erklärung (Huck war heruntergekommen und hatte es nicht gesehen). Es musste ein Scherz sein …
    Und dann, genau vor meinen Augen, begann sich das R aufs Neue zu schreiben.
    Nein
, dachte ich.
Das kann nicht sein.
Wie gebannt starrte ich auf das Schild, während das R, das ich weggewischt hatte, Zentimeter für Zentimeter wieder aus dem Nichts auftauchte.
    »Liza«, flüsterte ich, »bist du hier?«
    Eine Brise streichelte meine Wange, und dann hörte ich ein leises Wimmern, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Schrei.

32. Kapitel
    Z uerst dachte ich, ich hätte geschrien, aber in Wirklichkeit war es Coralee. Ich war von dem Schild derart fasziniert, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie sie und ihre Crew dazugekommen waren.
    »Habt ihr das gesehen?«, fragte sie drängend.

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