Geisterfjord. Island-Thriller
Líf wieder etwas entspannter war, hüpfte Katrín auf einem Bein vor ihr her, fest entschlossen, Garðar darum zu bitten, ihr eine Krücke zu basteln, sobald er zurück wäre.
Die Küche war leer, und obwohl Katrín das eigentlich vorher gewusst hatte, war sie furchtbar enttäuscht, Garðar nicht bei der Vorbereitung des Frühstücks zu sehen. Die Luft war stickig und eiskalt, noch kälter als in der Stube. Auf dem Küchentisch war genau dasselbe wie gestern Abend: ein Kerzenständer, Streichhölzer und ein Pillengläschen. In der Spüle wartete ein Stapel schmutziges Geschirr geduldig darauf, dass jemand Teller, Tassen und Gläser notdürftig im Bach abspülte. Aber das würde wohl noch etwas dauern. Katrín hatte sich noch nicht genauer umgesehen, als Líf in die Tür trat und auf die kaputten Bodendielen zeigte.
»Guck mal!« Sie tippte Katrín auf die Schulter. »Garðar hat angefangen, das zu reparieren. Vielleicht holt er gerade Werkzeug oder Holz.«
Katrín drehte sich um und betrachtete die Spuren der nächtlichen oder morgendlichen Reparatur. Sie konnte sich nicht entsinnen, Garðar beim Einschlafen herumfuhrwerken gehört zu haben oder davon wach geworden zu sein. Deshalb hüpfte sie zu der kaputten Stelle, um vielleicht etwas zu entdecken, das auf Garðars Verbleib schließen ließ – das war zwar absurd, aber ihr fiel einfach nichts Besseres ein. Sie stützte sich an der Wand ab und beugte sich vor, um den betreffenden Teil des Bodens genauer unter die Lupe zu nehmen. Überraschenderweise folgte Putti ihr nicht, sondern bezog neben Líf Stellung.
»Siehst du Schimmel? Vielleicht hat sich Garðar vergiftet und ist rausgerannt, um sich zu übergeben«, sagte Líf angsterfüllt. »Ich hab euch doch gesagt, ihr sollt das nicht tun. Ich habe es gesagt.«
Es war kein furchteinflößender Schimmel zu sehen, aber unter den Bodenbrettern, die entfernt worden waren, befand sich ein weiterer, wesentlich älterer Boden. »Hier ist kein Schimmel.« Vorsichtig richtete sich Katrín wieder auf. »Ich bräuchte eine Kerze, um besser sehen zu können.« Sie verzog das Gesicht. »Aber es riecht abartig, wahrscheinlich, weil der Hohlraum lange verschlossen war und jetzt geöffnet wurde.« Sie achtete darauf, nicht tief in die Lungen einzuatmen. Womöglich wimmelte es von Bakterien, gegen die moderne Menschen keine Abwehrkräfte hatten, Garðar eingeschlossen.
»Aber das ist doch gar nicht so lange her, Katrín. Der Vorbesitzer hat den neuen Boden doch drübergelegt, weißt du nicht mehr? Das war erst vor drei Jahren«, entgegnete Líf und rückte so weit wie möglich von der Stelle ab. »Wenn es stinkt, dann kommt das vom Schimmel. Auch wenn du keinen siehst, kann welcher da sein.«
Anstatt weiter darüber zu diskutieren, entfernte sich Katrín von der Wand und der halbfertigen Reparatur. Sie würde Garðar nicht unter den Bodendielen finden. Putti begrüßte sie stürmisch, als sie bei Líf angelangt war, und führte sich auf, als hätte er sie tagelang nicht gesehen. Unter normalen Umständen hätte sie das lustig gefunden, aber jetzt war sie in Gedanken ganz woanders.
»Garðar!«, rief Katrín, so laut sie konnte. Keine Antwort. »Vielleicht ist er oben und schläft. Schaust du mal nach, Líf?«
»Ich soll da raufgehen? Aber die Isomatten und Schlafsäcke sind doch unten. Außerdem hätte er geantwortet, wenn er oben wäre.« Líf war anzusehen, dass sie sich hartnäckig weigern würde, alleine ins Obergeschoss zu gehen. »Bei dem Geschrei wäre er garantiert aufgewacht.«
Katrín holte tief Luft und zählte im Geiste bis zehn. »Nicht unbedingt, Líf, du bist auch nicht aufgewacht, als ich eben gerufen habe. Außerdem war er wahrscheinlich die ganze Nacht wach, er hat uns ja nicht geweckt, damit wir ihn ablösen. Und wenn er auch noch die halbe Nacht den Boden repariert hat, ist er bestimmt im Tiefschlaf.«
»Und wenn er nicht oben ist? Ich will nicht alleine hoch. Kannst du nicht gehen oder zumindest mitkommen?«
»Ich schaffe es kaum von einem Raum in den nächsten. Wie soll ich denn da die Treppe raufkommen? Glaub mir, ich würde gehen, wenn ich könnte«, antwortete Katrín, obwohl sie wusste, dass das nicht reichen würde, um Líf davon zu überzeugen raufzugehen. »Okay, ich komme mit und stelle mich unten an die Treppe, von da kann ich dich sehen. Du musst nur die Türen aufmachen und einen Blick in die Zimmer werfen. Putti kann mitgehen, wenn dir das lieber ist.«
»Und wenn wir uns beide unten
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