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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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an die Treppe stellen und ganz laut brüllen? Wenn Garðar dann nicht antwortet, ist er nicht oben.«
    »Und wenn er nicht antworten kann? Wenn er ohnmächtig ist oder so? Was dann?«
    Am Ende ließ sich Líf überreden, ins Obergeschoss zu gehen, während Katrín sie von der Treppe aus beobachtete und ihr gut zuredete. Líf nahm Putti mit, musste ihn aber festhalten, da er auf jeder Stufe versuchte, umzudrehen und zurück zu Katrín zu laufen.
    »Mach die Tür auf, es passiert nichts«, sagte Katrín aufmunternd, musste sich aber eingestehen, dass sie auch nicht an Lífs Stelle sein wollte. Im Treppenaufgang gab es kein Fenster, und es war dunkel und unheimlich. Katrín hätte besser eine Kerze mitgenommen.
    »Garðar?«, rief Líf mit brüchiger Stimme, die noch nicht mal den leichtesten Schlaf gestört hätte. »Bist du da?« Sie drückte die Türklinke nach unten und stieß die erste Tür auf. Putti starrte runter zu Katrín und verstand überhaupt nicht, warum er nicht bei ihr sein durfte. Erleichtert drehte sich Líf um. »Nichts.« Dann ging sie zur nächsten Tür und wiederholte das Spiel. Wieder nichts. Die dritte und letzte Tür war zu weit hinten im Flur, als dass Katrín sie noch sehen konnte. Als Líf das merkte, ging sie zurück und blieb auf der obersten Treppenstufe stehen. »Ich mache die Tür nur auf, wenn ich dich sehen kann«, sagte sie und wollte wieder runterkommen. »Das ist kein Scherz, ich mache es nicht.«
    Katrín stöhnte und griff nach dem Geländer. Mühevoll schleppte sie sich auf der Treppe so weit nach oben, bis sie die dritte Tür sehen konnte, die in das Zimmer führte, in dem sie am Anfang geschlafen hatten. »Versuch es jetzt. Ich kann dich gut sehen.«
    Líf drehte sich um und ging durch den Flur, schaute aber zweimal zurück, um sich zu vergewissern, dass Katrín sie noch sehen konnte. Vor der Tür blieb sie zögernd stehen und warf Katrín, die sie mit einer Handbewegung zur Eile antrieb, einen ängstlichen Blick zu. Dann fasste sie Mut und öffnete forsch und zielstrebig die Tür – was angesichts des darauffolgenden Schrecks fast lächerlich wirkte. Líf ließ den Hund urplötzlich fallen, Putti landete unsanft auf den Pfoten und rannte sofort zu Katrín.
    »Was ist denn?«, rief Katrín und wollte sich weiter die Treppe hinaufschleppen. »Ist es Garðar?« Sie spürte, wie sich in ihren Augenwinkeln heiße Tränen bildeten, während ein Teil ihres Gehirns alle möglichen Bilder von ihrem Mann in dem abweisenden, eiskalten Zimmer produzierte.
    »Nein, nein, es ist nicht Garðar.« Líf kehrte der Tür den Rücken, lief mit großen Schritten durch den Flur und zwei Treppenstufen auf einmal nehmend runter zu Katrín. Dort hängte sie sich zitternd an sie, während Katrín versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und sich an der Wand abstützte. Sie wollte nicht schon wieder die Treppe runterstürzen, auch wenn der Fall diesmal nicht so tief wäre. »Da ist niemand, ich schwöre es«, flüsterte Líf, und Katrín starrte sie mit offenem Mund an. »Der ganze Boden ist mit diesen scheiß Muscheln übersät, und ich hab jemanden atmen gespürt.« Líf musterte Katrín irritiert, da sie nicht sofort in Panik ausbrach. »Als wir gestern Abend die Schlafsäcke geholt haben, war da nichts. Nicht eine Muschel. Und das mit dem Atmen bilde ich mir nicht ein, ich hab den ekelhaften Geruch immer noch in der Nase.« Líf spähte in den Flur, und als sie den Kopf drehte, nahm Katrín einen fauligen Geruch an ihr wahr. »Ist das ein schlechter Scherz von Garðar? Hat er sich versteckt, um unsere Reaktion zu testen?«
    »Nein«, antwortete Katrín. Sie wusste genau, dass das nicht sein konnte. Garðar würde niemals am Strand Muscheln sammeln, um sie zu erschrecken, schon gar nicht mitten in der Nacht, wenn er todmüde war. Und es gab noch etwas anderes, das ihr sagte, dass Garðar nichts damit zu tun hatte: eine leise, traurige Stimme in ihrem Inneren. Garðar war weg, für immer, und sie würde ihn nie wiedersehen.
    Als sie das Haus verlassen hatten, um draußen nach Garðar zu suchen, war die Stimme nicht mehr ganz so eindringlich. Líf stützte Katrín, aber sie kamen trotzdem nur langsam voran und merkten schnell, dass sie niemals die gesamte Umgebung durchkämmen konnten. Sie entdeckten Spuren im Schnee, die von der Terrasse Richtung Meer führten, an einer Stelle, die bisher keiner von ihnen benutzt hatte. Die Spuren waren relativ frisch und mussten von Garðar stammen. Nachdem sie

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