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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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war nicht zu leugnen, und Freyr versuchte gar nicht erst, eine vernünftige Erklärung dafür zu finden. »Dieselben Narben wurden auch auf dem Rücken der Klassenlehrerin gefunden, als sie starb«, sagte Freyr und schob Dagný die Kopie des Klassenfotos zu. »Das war ungefähr zehn Jahre nach Bernódus’ Verschwinden.«
    Das Bild lag einen Moment an der Tischkante, bevor Dagný es in die Hand nahm und betrachtete. »Kann es sein, dass Bernódus überlebt hat und hinter der ganzen Sache steckt? Dass er vielleicht sogar noch am Leben ist?« Gebannt schaute sie auf das Foto und war völlig fasziniert von dem Jungen. Freyr konnte das gut nachvollziehen. Es war ein erschütternder Anblick, vor allem, wenn man die Geschichte des Jungen kannte. »Dann könnte er auch in den Kindergarten eingebrochen sein.«
    »Das glaube ich nicht.« Freyr schaute aus dem Fenster auf die winterliche Landschaft. »Wo soll er sich denn die ganze Zeit aufgehalten haben? Woher soll er Nahrung und Kleidung haben? In all den Jahren wäre doch garantiert jemand auf ihn aufmerksam geworden. Es sei denn, er hätte einen anderen Namen angenommen und ein ganz anderes Leben geführt, was auch unrealistisch ist, wenn man bedenkt, wie jung er noch war, als er verschwunden ist.« Freyr nahm das Foto wieder entgegen und legte es vor sich. Sie steckten schon wieder in einer Sackgasse. Er beschloss, Dagný von seinem Besuch bei der alten Úrsúla zu erzählen, davon, was sie über den Jungen gesagt hatte, den sie nicht sehen wollte und der verlangte, dass Freyr Benni fand. Als er ihr alles erzählt hatte, schwieg er. Dagný starrte die Unterlagen auf dem Schreibtisch an. Als die Pause unangenehm lang zu werden drohte, ergriff Freyr wieder das Wort. »Im Moment sehe ich keine andere Möglichkeit als zu warten, bis Úrsúla sich wieder erholt hat, und dann noch mal mit ihr zu reden. Außerdem sollten wir weiter versuchen, Kontakt zu Lárus aufzunehmen. Er hat meine Anrufe nicht beantwortet, und ich habe inzwischen den Eindruck, dass er gar nicht in Island ist.«
    Dagný schaute auf. »Ich kümmere mich darum. Ich denke, es ist an der Zeit, die Kollegen in Reykjavík um Hilfe zu bitten. Hoffentlich kann dieser Lárus uns was dazu sagen.«
    Als sich Freyr kurz darauf in der Tür von ihr verabschiedet hatte und sie durch den Flur weggehen sah, fiel ihm die Aufnahme wieder ein, die er gestern Abend mit seinem Handy gemacht hatte. Nach ein paar Klicks fand er sie und lauschte angestrengt.
    Zuerst hörte er nur ein dumpfes Summen und seine eigenen unregelmäßigen Schritte, doch dann kam etwas, das er erst richtig erkennen konnte, als er zurückgespult und lauter gestellt hatte. Er hätte den genauen Wortlaut zwar nicht beschwören können, war sich aber ziemlich sicher, dass er so lautete: »Sag die Wahrheit. Dann wirst du mich finden, Papa.« Es handelte sich eindeutig um die Stimme seines Sohnes. Bennis Stimme.

27. Kapitel
    Katrín wachte nicht von Schmerzen in ihrem Fuß oder in einem anderen Körperteil auf, sondern war tatsächlich ausgeschlafen. Im ersten Moment konnte sie sich nicht orientieren und blinzelte, während der Traum, der noch vor wenigen Minuten ganz lebendig gewesen war, langsam verblasste. Als sie richtig wach war, blieb nur noch die unangenehme Erinnerung an einen Traum, in dem sie als Lehrerin versagt hatte, die brutale Behandlung eines Schülers ignoriert hatte und dafür zahlen musste. Sie konnte sich nicht mehr an den Schüler erinnern und wusste nicht mehr, ob die Strafe gerecht gewesen war. Im Grunde war sie froh, dass sie aufgewacht war. Eigentlich hätte sie ausgeruht sein sollen, doch ihr Herz schlug so schnell, dass der Traum schlecht ausgegangen sein musste. Katrín drehte sich auf die Seite und blickte zu Líf, die friedlich schlummerte. Aus dem Schlafsack schauten nur ihre Haare und ihre Augenbrauen heraus. Katrín drehte sich auf die andere Seite zu Garðar. Während sie mit ihrem Schlafsack kämpfte, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Als sie den leeren Schlafsack neben sich erblickte, setzte sie sich mit einem Ruck auf. Dabei schoss ein entsetzlicher Schmerz von ihrem Fußrücken in ihre Wade, aber er war nichts im Vergleich zu der Panik, die der leere Schlafsack in ihr auslöste.
    Es war so hell im Raum, dass es nicht mehr Nacht sein konnte. »Garðar!«, rief Katrín mit heiserer Stimme. Keine Antwort. Totenstille im Haus. Putti sprang am Schlafsackende auf die Beine und wirkte genauso verwirrt wie sie. Katrín zwang

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