Geisterfjord. Island-Thriller
nicht wegwerfen wollte. Keine Ahnung, ob der Betreffende was mit dem Haus zu tun hat, aber wir sollten kein großes Ding daraus machen.«
Katrín knabberte nachdenklich an ihrer Oberlippe. »Ja, vielleicht hast du recht.« Sie starrte durch das schmutzige Küchenfenster. »Aber mir ist die Sache trotzdem unheimlich. Vielleicht findest du das ja lächerlich, aber es ist irgendwie unnatürlich. Als ich die Kreuze zwischen dem Unkraut gesehen habe, hatte ich sofort das Gefühl, dass hier was nicht stimmt. Die sind richtig ordentlich da hingelegt und nicht einfach nur in die Senke geworfen worden.«
»Aber warum?« Líf drückte sich noch tiefer in die Ecke. »Ich könnte mir schon vorstellen, dass die beiden da begraben sind.«
»Keine Ahnung, was dahintersteckt, aber wenn ich hier auf dem Grundstück zwei Tote begraben würde, würde ich mir ja wohl ein ebenes Stück und nicht diese Senke dafür aussuchen. Vielleicht wollte jemand die Gräber verstecken«, sagte Katrín und ärgerte sich, dass sie so weinerlich klang.
»Und deshalb hat er Kreuze draufgestellt?« Garðar lächelte müde. »Glaub mir, diese Kreuze sind nicht von hier. Ich habe nach Stümpfen gesucht, aber keine gefunden. In dieser Senke gibt es keine Gräber.«
»Ob wir mal mit der Schaufel graben sollten?« Katrín schaute ihn an und hoffte, dass er nein sagen würde. Sie wollte so nah beim Haus keine Särge oder Skelette finden. »Vielleicht sind die Gräber ja auch woanders auf dem Grundstück?«
»Das sollten wir lieber abchecken. Wenn hier Gräber sind, bin ich weg«, sagte Líf aufgelöst. Ihre Reaktion überraschte Katrín, da sie zwar meistens ziemlich impulsiv, aber nie nervenschwach war. Vielleicht war der Abschied von Einar noch so nah, dass sie nicht auf so unangenehme Weise an den Tod erinnert werden wollte. »Notfalls schwimme ich.«
»Hört auf mit dem Unsinn«, sagte Garðar mit lauter Stimme. »Keiner von uns haut ab, und wir suchen auch nicht nach Gräbern. Wollt ihr wirklich, dass ich hier alles umgrabe?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern fuhr fort: »Kommt nicht in Frage. Erstens werden wir nichts finden, und zweitens ist das nur Zeitverschwendung.« Garðar stand mühsam auf. »Nach dieser verdammten Wanderung bin ich eh schon total eingeschränkt, mein Fuß tut tierisch weh.« Er humpelte zur Küchentür und dehnte an der Wand seine Wade. »Wenn wir rechtzeitig fertig werden wollen, müssen wir uns ranhalten. Und das wird schwierig, wenn ich mit Muskelkater und Blasen an den Füßen draußen rumhumpele und alte Gräber suche und ihr jedes Mal, wenn ich auf einen Stein stoße, hysterisch losbrüllt.«
Katrín wusste, dass er recht hatte, auch wenn er es netter hätte formulieren können. Dennoch hielt sie sich zurück – das Letzte, was sie an diesem einsamen Ort gebrauchen konnten, war, aufeinander sauer zu sein. »Okay, aber es ist trotzdem merkwürdig, das musst du zugeben.«
»Merkwürdig? Das ist mehr als merkwürdig«, keifte Líf. »Das ist total abartig! War dieser Typ, dem das Haus gehört hat, vielleicht ein bisschen durchgeknallt? Mit was müssen wir denn noch alles rechnen?«
Garðar hatte Katrín nie ausführlich von der Geschichte des Hauses erzählt, obwohl er beim Kauf einiges erfahren haben musste. Aber das war zum Teil auch ihre eigene Schuld. Sie hatte nur begrenztes Interesse an dem Haus gezeigt und Garðar über Renovierungen, Holz, Bohraufsätze und so weiter schwadronieren lassen, ohne viel dazu zu sagen. »Kann es sein, dass er was mit den Kreuzen zu tun hatte? Was war das eigentlich für ein Typ?«, fragte sie jetzt.
Garðar entspannte seine rechte Wade und dehnte seine linke. Das schien zu helfen, denn er verzog noch ausgiebiger das Gesicht. »Über den kann man eigentlich nicht viel sagen. Es war ein ganz normaler Typ, und nein, diese Kreuze können überhaupt nichts mit ihm zu tun haben. Wenn man nach den Jahreszahlen geht, hat er das Schlösschen, lange nachdem die Kreuze aufgestellt wurden, gekauft.« Er löste die Dehnung und entfernte sich wieder von der Wand. »Außerdem war er alleinstehend, unverheiratet und kinderlos, er wird die Kreuze wohl nicht aus Reykjavík mitgebracht haben. Er hat nie hier oder in Ísafjörður gewohnt.«
»Könnte er nicht eine Frau gehabt haben, von der niemand was wusste?« Lífs Stimme zitterte leicht. »Mit ihr ein Kind gehabt und beide umgebracht haben?«
Garðar schaute resigniert an die Decke. »Ich bezweifle es. Dann müsste er ziemlich
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