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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Mann zu Ende erzählt hatte, bevor er sich seinem nächsten Patienten zuwenden würde, aber diese Geschichte klang unangenehm vertraut. Er hatte am Mittag vergeblich versucht, Dagný zu erreichen, und keine Ahnung, ob die Ermittlungen vorangekommen waren. Vielleicht hatte Dagný zurückgerufen, aber Freyr bewahrte sein Handy in seinem Schrank auf, um bei der Arbeit nicht gestört zu werden. Leider hatte Sara das durchschaut und rief ihn inzwischen direkt auf der Station an. »Haben Sie gesagt, es wurde etwas an die Wand geschrieben?«
    »Ja, es war vollkommen unverständlich. Der Täter fand seine Botschaft wahrscheinlich eindeutig, aber der hatte wohl ein paar Schrauben locker.«
    »Was stand denn da?«
    »Nur einzelne Wörter, immer wieder dieselben, im ganzen Gebäude.« Der alte Mann räusperte sich, hustete aber zu Freyrs Erleichterung nicht. »An der Wand in meinem Klassenraum stand
hässlich
. Was auch immer das heißen sollte.«
    »Hässlich?«
    Die wasserblauen Augen des Alten begegneten Freyrs Blick. »Ja, ich habe es so gedeutet, dass der Täter sich selbst und seine Tat meinte. Das hat mir geholfen, das Wort die ganzen Jahre vor Augen zu haben, auch wenn es durch die Farbe nur noch undeutlich zu sehen war.« Der Mann zog die Decke bis unters Kinn hoch. »Das, was in der Aula stand, war noch schlimmer.«
    »Und was stand da?« Freyr hatte sich vorgenommen, das Gespräch zu beenden, seine Schicht abzuschließen, nach Hause zu fahren, eine Tablette gegen die Kopfschmerzen zu nehmen und sich hinzulegen. Aber er konnte der Versuchung nachzufragen nicht widerstehen – die morgendlichen Ereignisse hatten ihn stärker beeinflusst, als er sich eingestehen wollte.
    »Schmutzig.«
Die Stimme des Alten klang jetzt kräftiger als vorher, so als sei der dunkle Bariton seiner jüngeren Jahre zum Leben erwacht. Er schien es selbst zu hören und nahm all seine Kraft zusammen, um sich im Bett aufzusetzen. »In der Aula! Was meinen Sie, wie es war, so was bei Feierlichkeiten vor Augen zu haben?«
    »Haben Sie
schmutzig
gesagt?« Freyr meinte, sich verhört zu haben. »Sind Sie sich sicher, dass Sie das nicht mit dem durcheinanderbringen, was Ihre Enkelin heute Morgen über den Kindergarten erzählt hat?«
    Der Alte machte ein missbilligendes Gesicht. »Natürlich nicht. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich so gut daran erinnere, als wäre es gestern gewesen. An der Wand der Aula stand nur dieses eine Wort.
Schmutzig

     
    Dagný machte ein ähnlich missbilligendes Gesicht wie der alte Mann. »Und? Ein Randalierer, der im Abstand von sechzig Jahren in Schulen einbricht?« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Das kaufe ich dir nicht ab. Dann wäre der Täter, der letzte Nacht unterwegs war, mindestens fünfundsiebzig. Der Alte hat das garantiert heute Morgen beim Besuch des Mädchens gehört.«
    »Das hat er aber bestritten.« Freyr versuchte, seine Gereiztheit zu verbergen. Nachdem er Dagný die Geschichte erzählt hatte, wurde ihm klar, wie absurd sie klang. Trotzdem widersprach er ihr. Es war ziemlich ungewohnt, derjenige zu sein, der auf einer schwer zu beweisenden Geschichte beharrte – er war in Saras Rolle geschlüpft.
    »Na gut, aber er ist doch über neunzig, oder?« Sie lächelte ihr seltenes Lächeln. »Ich vermute, dass er da einfach was verwechselt hat.«
    Freyr ließ seinen Blick über die vollgestopften Regale in ihrem Büro schweifen. »Wärst du bereit zu überprüfen, ob es Unterlagen zu diesem alten Fall gibt? Das würde jeglichen Zweifel ausräumen. Der Alte schien sich sehr sicher zu sein.«
    »Hast du eine Ahnung, wie viel wir hier zu tun haben? Es wird nicht nur im Gesundheitswesen gekürzt. Wir haben viel zu wenig Personal, und im Moment hat der Einbruch im Kindergarten keine Priorität.« Dagný hob einen Papierstapel hoch und ließ ihn wieder auf den Tisch fallen. »Wir haben noch mehr Fälle. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit den üblichen Verdächtigen zu reden, und wenn wir Glück haben, gesteht einer, oder wir kriegen ihn über die Fingerabdrücke. Wenn wir das nicht schaffen, können wir nur hoffen, dass der Täter wegen irgendwas anderem festgenommen wird. Oder schon bei uns registriert ist. Aber es dauert ewig, bis wir das rausgekriegt haben.« Niedergeschlagen zuckte sie mit den Schultern. »Im Kindergarten waren massenweise Fingerabdrücke.«
    Freyr schwitzte in seinem dicken Anorak, wollte Dagný aber nicht bitten, das Fenster zu öffnen, aus Angst, der Wind könne den

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