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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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diesmal nicht.«
    »Wie hat sie sich denn umgebracht?« Freyr wusste nicht, ob Dagný darauf antworten würde, aber die Leiche würde ohnehin morgen obduziert.
    »Sie hat sich erhängt.« Dagný beobachtete Freyrs Reaktion. »Und sie ist auf Nummer sicher gegangen. Die Decke in der Kirche ist ziemlich hoch.«
    »Aha.« Freyr wusste, dass ein solcher Tod äußerst unschön war. Die Erhängten hatten meist tiefe Kratzspuren am Hals, da ihnen zu spät klar wurde, dass das Leben zwar nicht leicht war, einen aber immer noch sanfter behandelte als der Tod. »Hat sie keinen Brief hinterlassen?« Er wusste, dass nur ein Viertel der Selbstmörder Abschiedsbriefe hinterließen, weil es schwer war, eine solche Entscheidung in Worte zu fassen, und man manchmal einfach nichts dazu sagen konnte.
    »Darüber kann ich nicht reden.« Dagný wich seinem Blick aus.
    »Verstehe.« Freyr lächelte ihr zu. »Ich höre auf zu fragen. Ich wollte dir nur ausrichten, was der alte Mann mir erzählt hat. Ich dachte, es wäre vielleicht wichtig.« Er zog seine Jacke wieder zu.
    Dagný lehnte sich in ihrem imposanten Schreibtischstuhl zurück, der viel bequemer aussah als das Wackelgestell, auf dem Freyr saß. »Du hast noch gar nicht erzählt, was sonst noch an der Wand der Grundschule stand. War da noch was anderes oder nur das Wort
schmutzig
?«, fragte sie.
    »Ja, da war noch mehr, ich weiß zwar nicht genau, wie viele Wörter insgesamt, aber der Alte meinte, dass an der Wand seines Klassenzimmers
hässlich
stand. Vielleicht waren noch mehr Wände beschmiert, ich kann ihn noch mal fragen, wenn du willst.«
    Dagnýs Computer machte ein Geräusch, das den Eingang einer E-Mail ankündigte, aber sie schien es nicht zu bemerken. Ihre Wangen wurden röter, doch als sie nach einer betretenen Pause das Wort ergriff, wirkte sie wieder ganz normal. Vielleicht war ihr einfach nur warm geworden. »Ja, ja, mach das. Es kann ja nicht schaden, sich anzuhören, was er zu sagen hat.«
     
    Als Freyr sich verabschiedet und die Tür hinter sich zugemacht hatte, zog Dagný neben ihrem Computer eine Plastikhülle mit einem Blatt Papier heraus. Das Dokument war umgedreht. Vorsichtig hob sie die Hülle hoch und starrte das Blatt an. Es war ganz dicht mit einer zarten Frauenhandschrift beschrieben. Dagný starrte den Text an, nahm dabei den Telefonhörer ab und schaute nur kurz auf, um die Nummer zu wählen. »Veigar. Wo werden die alten Polizeiakten aufbewahrt?«

5. Kapitel
    Zwei ausgebleichte weiße Holzkreuze lagen nebeneinander auf dem kleinen Küchentisch. Ihr trauriger Anblick passte ganz und gar nicht zu der fleckigen, heimeligen Tischplatte. »Das hat auf keinen Fall was mit dem Haus zu tun.« Garðar hatte eindeutig genug von dem Thema. Er hätte die Kreuze schon längst draußen auf den Holzhaufen geworfen, wenn Katrín nicht protestiert hätte. »Du siehst doch, dass sie von Gräbern stammen. Sie sind abgebrochen und dann hergebracht worden. Wenn da draußen Gräber wären, müssten ja noch die Stümpfe aus dem Gras ragen.«
    »Warum sollte jemand Kreuze von Gräbern entfernen und vor unser Haus werfen?«, fragte Katrín aufgebracht und konnte ihren Blick nicht von dem verwitterten Holz und der weißen, abgeblätterten Farbe lösen.
    »Das frage ich mich auch.« Líf stand in der Ecke, möglichst weit vom Tisch entfernt. Sie hatte die Arme verschränkt und beäugte Katríns Fund misstrauisch. Neben ihren Füßen lag Putti und schlief wie ein Stein, nachdem er zwei Scheiben Wurst verputzt hatte. Ab und zu zuckte er und schien im Traum große Abenteuer zu erleben. »Wer würde denn so was tun?«
    »Sollte man sich nicht lieber fragen, warum ein Kind und eine Frau, vielleicht die Mutter, hier hinterm Haus begraben sein sollten? Ich finde das viel unglaubwürdiger, als dass jemand die Kreuze da hingeschmissen hat. Außerdem wären sie in einem viel schlechteren Zustand, wenn sie über ein halbes Jahrhundert friedlich dagestanden hätten. Jemand muss sie über die Jahre hinweg in Schuss gehalten haben, und dieses Haus war mehr oder weniger unbewohnt.« Garðars Augen wanderten zu den undeutlichen Buchstaben auf den Kupferplatten, die an den Kreuzen angebracht waren:
Hugi 1946–1951
und
Bergdís 1919–1951
. Er rieb sich die Augen. »Lasst uns das einfach vergessen und die Kreuze wieder zurücklegen. Wenn wir in Ísafjörður sind, können wir uns ja umhören, ob jemand was darüber weiß. Ich vermute, dass sie durch Grabsteine ersetzt wurden und man sie

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