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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gerne allein sein. Wenn es euch nichts ausmacht…” Sie ging flugs zur Tür und hielt sie auf, den Mund in der Andeutung eines höflichen Lächelns gekrümmt, obgleich sie die Steifheit ihres Gesicht spüren konnte und wußte, daß es nicht überzeugend war. Sie wollte sie nicht ansehen, und so behielt sie den Blick demütig zu Boden gesenkt und wartete, daß sie gingen.
    Selbst Gelana wagte nicht recht, ihr zu trotzen. Sie hatte große Ehrfurcht vor Kalyen-Tej, und etwas von dieser Ehrfurcht wurde unfreiwillig auf die Tochter übertragen, so sehr sie sie auch verachten mochte. Beide gingen, und Lilit war mit dem Dienstroboter allein.
    Die Stille schloß sich um sie, ängstigte sie zuerst ein wenig, und tröstete sie dann; sie war so erfüllt mit Erinnerungen und Geistern, daß es kaum Platz für sie gab zu atmen. Metis, die sie anlachte. Der alte Gyoll, jetzt ein echtes Skelett, ohne Fleisch auf den Knochen, die toten Augen schimmerten in einem fleischlosen Schädel, leuchteten sie an, füllten sie mit seiner Energie, seinem Zielstreben. Die toten Kleinkinder. Selbst ihre Mutter war da, betrachtete sie voller Verwirrung, fragte sich, was sie in diesem Gemach sollte. Sie trat ans Fenster, zupfte an den grünen Seidenvorhängen, schmiegte sich mit dem Rücken dagegen. „Komm!” wies sie den Dienstroboter an und lächelte, als er lautlos auf sie zurollte. Sie streifte die Kette mit dem Schlüssel über ihren Kopf, schloß die Kleidertruhe auf und wuchtete den Deckel zurück. „Häng die Kleider aus dieser Truhe in den Wandschrank dort drüben.” Rasch schritt sie durch den Raum und schob die Türen des großen, begehbaren Wandschrankes zurück. „Hier”, sagte sie. „Ein jedes Kleid hängt für sich auf einem dieser hölzernen Bügel, die du im Kistendeckel finden wirst. Laß eine Handbreit Platz zwischen jedem Kleid. Hast du verstan-. den?”
    Als er dies bestätigt hatte, kehrte sie ans Fenster zurück.
    Dieses Mal zog sie den Vorhang beiseite und schaute hinaus. Jenseits der Mauer erstreckten sich die grünen Hügel - hin zu blauen Bergen mit reinen, weißen Spitzen. Hellblaue Berge vor einem hellblauen Himmel, kühl, beruhigend, friedlich. Sie preßte ihr Gesicht gegen das Glas und begann zu weinen, ein leises, sanftes Weinen, wie die sanfte, angenehme Welt jenseits der Mauer.
    Noch immer weinend, unfähig aufzuhören, wandte sie sich von dem Fenster ab, streckte sich auf dem Bett aus, die Stirn auf gekreuzte Arme gepreßt, und sie weinte, bis sie sich in einem von Tränen durchwirkten Schlaf wiederfand.
    Sie erwachte mit hämmerndem Kopf, brennenden Augen, einem üblen Geschmack im Mund und einem Klumpen im Magen - und der Dienstroboter stand mit metallener Geduld an der Wand. Sie wies ihn an, ihr etwas zu Essen zu holen, und taumelte ins Badezimmer. Tausend Jahre alt fühlte sie sich. Nachdem sie das Gesicht in kaltem Wasser gebadet hatte, kehrte sie ans Fenster zurück.
    Es war jetzt dunkel draußen, der Himmel eigenartig sternenleer.
    Die Berge waren düster, fast unsichtbar, der Schnee leuchtete bleich und unheimlich vor dem samtigen Himmel. Gespensterschnee, dachte sie. Ihr seid Geister, ihr alle. Ihr bedeutet nichts, Acthon, Gyoll, meine An gehörigen. Morgen, dachte sie und empfand nichts, kein Frohlocken, keine Angst, einfach nichts.
    „Mitt-Morgen”, antwortete der Dienstroboter, als sie ihn nach der Zeil fragte. „Die vierte Stunde nach dem Tagesanbruch, Ortszeit.” Er wartete einen Moment, um festzustellen, ob sie weitere Fragen hatte, dann stellte er das Tablett ordentlich auf den Tisch und zog sich zurück.
    Lilit hob den Deckel, sah die Fingerlings-Fische und spürte eine heftige Reaktion in ihrem Magen. Sie berührte einen warmen, knusprigen Fisch, konnte sich jedoch nicht überwinden, ihn zu essen. Sie kehrte ans Fenster zurück und starrte hinaus zu den grünen Hügeln.
    Lilit strich das Unterhemd über ihren Körper glatt, und ihre Hände zit terten, als sie über das Korsett mit dem darin verdrahteten Auslöseme chanismus fuhren, die Detonationsladung zwischen die inneren und äußeren Seidenschichten gepreßt. Sie nahm das schimmernde grüne Kleid aus dem Wandschrank, hielt es mit nachlässigem Eifer und zog es sodann über den Kopf. „Eins”, hauchte sie., angelte den am Korsett befestigten Zugriemen unter dem Stoff hervor, zog ihn mit großer Vor sieht über ihre Schulter und unter ihren langen, lose herabfallender. Haaren hoch, steckte ihn fest. Das zweite Kleid präsentierte

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