Geisterjagd
eine hellere Schattierung von Grün und trug eine Andeutung von Blau in sich. Sie dachte an Acthon und fühlte ein scharfes Brennen hinter ihren Augen, doch sie weinte nicht, es waren keine Tränen mehr in ihr. Sie stieß die Arme durch die Ärmellöcher und schloß den Vorderverschluß. Dem dritten Kleid kam die Schlüsselfunktion zu. Sie nahm es aus dem Schrank. Dies war das schwerste und hellste der drei. Sie hielt den Atem an, als sie die schweren, glatten Falten über ihren Kopf hielt und sie dann auf sich herunterfallen und mit einer tödlichen Unausweichlichkeit an ihrem Körper entlanggleiten ließ. Dieses Kleid strich sie nicht zurecht; statt dessen schüttelte und verrenkte sie sich, bis es saß. Sie ging zum Spiegel und betrachtete sich, versuchte festzustellen, ob an den Kleidern irgend etwas Verdächtiges zu sehen war, doch sie saßen einwandfrei, fielen in glatten Falten, wölbten sich über ihrem schlanken Körper. Sie seufzte, kehrte zum Wandschrank zurück und nahm das hauchdünne vierte Kleid heraus. Sie schob ihre Arme in die Ärmel hinein, zog den eingenähten Hüftgürtel vorn zusammen und fädelte das Schnürband durch die Ösen. Sie zog die Kordel fest, band sie zu einem Knoten und knüpfte darüber eine kleine, adrette Schleife. Im nächsten Moment zögerte sie, doch sie wußte nur zu gut, was sie weiterhin zu tun hatte, und so straffte sie die Schultern, schloß die Augen fest, atmete für die Dauer mehrerer Herzschläge nicht - dann marschierte sie zur Tür, zog sie auf und wies den draußen wartenden Dienstroboter an, Janina und Gelana zu holen, damit ihr diese bei den letzten beiden Kleidern, ihrer Kopfbedeckung und dem Schleier behilflich waren.
Sie war im zweiten Flitzer untergebracht, war allein untergebracht wegen des Umfangs ihrer Kleider. Für ihre Begleiterinnen war kein Platz mehr geblieben. Der Pilot ignorierte sie, und es fiel ihr ziemlich leicht, dasselbe mit ihm zu praktizieren. In dem Floß vor ihr befand sich Kalyen-Tej, weitere Schweber wimmelten rings um und über dem ihren, Wächter, die Automatenmusiker, die Aufseher und wieder Wächter.
Die Flitzer stiegen schräg nach oben, und sie wurde sanft in die Lehne des Sitzes zurückgedrückt. Nach einigen weiteren Minuten konnte sie die gedrungene, unmenschliche Masse der Konferenzhalle sehen. Ihr Herz schlug unstet, ein seltsames, fast angenehmes Frösteln sickerte durch ihre Körper.
Auf dem Landefeld vor dem mit Liros bezeichneten Portal wartete ihr Vater und beobachtete mit steinernem Gesicht, wie ihr Gelana und Janina behilflich waren, aus dem Flitzer zu steigen, sorgfälig ihre Röcke glattstrichen, das äußere Kleid mit seiner dicken Verkrustung aus Silberdraht aufbauschten, bis es weit von ihrem Körper abstand, den Schleier und das Kopftuch ausbreiteten und glätteten.
Das äußere Kleid war schön, darauf war sie stolz; sie hatte ihr Herzblut in die Arbeit daran eingebracht: schwerer, weißer Satin, in feinen Ringeln und Spiralen, in Blattformen und Rebenmustern, die sich ständig wiederholten, eingelegte Silberdrähte, Perlen, die das Licht fingen und leuchteten, Mondsteine, die das Licht fingen und leuchteten. Das Kopftuch und der Schleier bestanden aus feiner, weißer Gaze, mit Arabesken aus Silberfaden bestickt, winzige Perlen schmiegten sich in die Schnörkelbögen. Ihr Vater betrachtete sie eingehend, und ein Hauch von Überraschung glitt über sein Gesicht.
„Das Kleid ist schön”, sagte er, „Du bist begabt.”
Sie neigte den Kopf. Sie wollte sprechen, aber sie tat es nicht, sie konnte sich ihre Verwirrung nicht einmal erklären. Sie streckte die Hand aus, und ihr Vater ergriff sie, womit er zum ersten Mal, seit sie denken konnte, seine Verantwortung für sie akzeptierte. Für einen weiteren Moment starrte er noch auf sie herunter, dann richtete er sich auf und geleitete sie durch das große Portal, worauf die Automatenmusiker folgten und sie in einer Klangwoge hineinbrachten.
Er führte sie über den schimmernden Steinboden auf das vielzackige Stern-Mosaik zu, das in der Mitte der leeren Fläche eingelassen war. Auf die breiige, aufgeblähte Gestalt zu, die über die Ränder des Thrones triefte… Die Portaltüren schlugen zu. Der Laut ging in der Musik unter.
Sie schluckte, ihr Mund war trocken, es war plötzlich eine seltsame Süße in der Luft, sie konnte sie riechen und beinahe schmecken Sie starrte den Mann an, an den sie von ihrem Vater verkauft worden war; gleich darauf sah sie zu ihrem
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