Geisterstunde in Los Angeles
gefunden, um einbiegen zu können. So konnten wir das Panorama noch für eine Weile genießen. Manchmal schäumte die Lebenslust auch über. Zwei Farbige, denen wir im Weg standen, sprangen kurzerhand auf die Kühlerhaube, grüßten uns mit obszönen Gesten, gingen über die Haube hinweg und sprangen an der anderen Seite wieder zu Boden.
»Toll«, sagte ich.
Buckly winkte ab. »Damit müssen Sie hier immer rechnen. Wenn Sie die Typen beschimpfen, können Sie sich schweren Ärger einhandeln. Oft stehen die Burschen unter Stoff und wissen nicht, was sie tun.« Nach dem letzten Wort gab er urplötzlich Gas, weil er eine Lücke entdeckt hatte. Wir wurden tief in die Polster gedrückt.
»Das hätten wir!« Buckly grinste kurz.
Für die nächste Zeit nahm mich der Sunset Boulevard gefangen. Es war wirklich eine bunte, oberflächliche Welt für sich, wie in Las Vegas. Mir fielen besonders die großen, gemalten Plakate auf, die auf die neuesten Filme hinwiesen. Einige der Streifen liefen auch bei uns in London. So zum Beispiel »Peggy Su hat geheiratet« oder »Die Fliege«. Polizei sahen wir ebenfalls. Zu Fuß und in ihren Patrolcars. Die Beamten gaben sich lässig, doch man sollte siekeinesfalls unterschätzen. Immer wieder mußten wir anhalten, weil der Verkehr ins Stocken geriet. Einmal sah ich gleich eine ganze Gruppe aufreizend gekleidete Girls, die immer auf der Suche nach einer Chance waren.
Es war mal interessant, dieses Leben zu sehen. Jeden Tag konnte ich mich hier nicht herumtreiben. »Und das hier gefällt Ihnen, Tudor?« fragte ich.
»Man gewöhnt sich daran. Wissen Sie, die meisten hassen und lieben Los Angeles gleichzeitig. An der Küste ist es wirklich herrlich. Sagen Sie mal einem, er soll aus diesem Moloch fortziehen. Nach New York oder Frisco. Der hält Sie für geisteskrank. Nein, nein, man kann sagen, was man will. Hier ist schon etwas los. Und Sie finden hier alles, wenn es sich ums Geschäft dreht. Musiker und Stars leben hier ebenso wie Industriemagnaten oder Verwaltungsbosse. Ich sage Ihnen, John, New York wird uns niemals den Rang ablaufen.«
»Weshalb nicht?«
»Allein wegen des Wetters. Der Winter hier ist wunderbar, der läßt sich ertragen. Kaum Regen, aber New York erstarrt oft genug in Schnee und Eis. Wenn Sie hier Wintersport treiben wollen, dann fahren Sie am besten ein paar Meilen weiter in die San Gabriel Mountains. Da haben Sie Berge, die sind über sechstausend Fuß hoch.«
Aus dem Fond meldete sich Suko. »John, schau mal nach oben!«
Ich beugte mich vor und drehte meinen Kopf. Viel grauen Himmel konnte ich nicht sehen, zudem sah ich noch die Reflexe der bunten Reklamelichter. Doch etwas fiel mir auf.
Die langen, bunten Streifen. Genau vier an der Zahl. Rot, grün, blau und violett.
»Kennen wir die nicht?« fragte Suko.
»Und ob.«
Auch Bill fügte etwas hinzu. »Ich habe den Eindruck, daß sich gleich etwas tun wird.«
»Ja, wir fahren weiter«, murmelte ich. Vor uns setzte sich die Blechschlange allmählich in Bewegung. Auch wir konnten endlich starten. Im Schrittempo fuhren wir hinter den roten Rücklichtern des Vordermanns her. Bis dieser plötzlich bremste.
Auch wir stoppten.
Schon hörten wir die Schreie, und im gleichen Augenblick jagten die vier langgezogenen, geisterhaften Wesen aus dem grauen Nachthimmel her torpedoartig in die Straßenschlucht des Sunset Boulevard…
***
Sie kamen gedankenschnell näher, so daß wir sie auch erkennen konnten. Die Wesen hatten sich verändert. Zwar waren sie nach wie vor sehr langgestreckt, aber sie hatten inzwischen Köpfe und Gesichter bekommen. Schemenhaft nur, dennoch gut zu erkennen. Furchtbare Fratzen. Manche weit vorgestreckt wie Tiermäuler. Andere wieder sahen aus wie die Köpfe von Skeletten. Obwohl wir nicht ausgestiegen waren, hörten wir die heulenden Geräusche, die sie verursachten, als sie in die Straßenschlucht hineinrasten. Die Menschen standen starr. Der Schrecken ließ sie unbeweglich erscheinen. Sie drehten nicht einmal die Köpfe, als die Geistwesen vorbei waren. Getan hatte sich nichts.
Alles war fast wie zuvor. Nur fuhr kein Wagen mehr weiter. Auf den Straßen stauten sich die Karossen, und erst jetzt flogen die ersten Autotüren auf.
Auch wir blieben nicht länger im Mercedes sitzen. Die Geister waren nicht von ungefähr erschienen. Sie besaßen ein Motiv, vielleicht wollten sie etwas ankündigen.
Uns umfing ein Wall von Stimmen. Viele hielten es für einen Gag, andere wiederum sprachen von
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